Jerusalem - Israel baut in diesen Tagen in erster Linie auf seine große militärische Überlegenheit in der Region: Mit dieser Stärke sollen einerseits die anhaltenden Unruhen in den Palästinensergebieten gestoppt werden, wenn alle anderen Bemühungen scheitern. Andererseits gilt dem jüdischen Staat seine Schlagkraft als Faustpfand, um den Libanon und dessen Schutzmacht Syrien von Angriffen abzuhalten. "Wenn Israel überlebt, dann einzig dank seiner Armee", beschreibt der Vorsitzende des israelischen Außen- und Verteidigungsausschusses im Parlament, Dan Meridor, den Stellenwert der Streitkräfte "Tsahal".
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Dem Zentrum für Strategische Studien der Universität Tel Aviv zufolge kann die israelische Armee auf eine Feuerkraft von mehr als 2.800 Panzern, 700 Kampfjets und tausenden Artilleriegeschützen bauen.
Zur Verfügung stehen den Streitkräften fast 600.000 Soldaten, davon 180.000 Militärs im aktiven Dienst. Die fast 400.000 Mann starke Reserve ist innerhalb kurzer Zeit verfügbar.
Ein einzigartiges Raketenabwehrsystem
Zudem ist die Truppe mit einem hochmodernen Satelliten auf dem neuesten Stand der Militärspionage aus dem Weltall und verfügt mit "Chetz" ("Pfeil") über ein weltweit einzigartiges Raketenabwehrsystem. Dem militärischen Informationsdienst "Jane's" zufolge wurde das System erst Mitte September erfolgreich getestet. In den vergangenen Tagen verstärkten die israelischen Truppen weiter ihre Stellungen im Gaza-Streifen, im Westjordanland sowie an der Grenze zu Libanon, auch wenn sich die schweren Waffen rund um die Kasernen noch in Warteposition befinden.
Die Palästinenser, die ohne eigenen Staat formal auch keine Armee unterhalten dürfen, geben dagegen eine militärisch schwache Figur ab. Offiziell besteht die palästinensische Polizeitruppe aus rund 30.000 Mann, die überwiegend mit leichten Waffen wie Kalaschnikow-Sturmgewehren ausgerüstet sind. Die palästinensische Polizei besteht aus zwei Zweigen, der "nationalen Sicherheit" und der "vorbeugenden Sicherheit", die jeweils mehrere bewaffnete Abteilungen unter ihren Dächern vereinigen. Dazu gehören die Spezialtruppe "Force 17", die Geheimdienste und ein eher symbolisches Marine-Kontingent aus nur einigen hundert Mann.
Als "Luftwaffe" verfügen die Palästinenser nur über zwei Helikopter, die Palästinenserpräsident Yassir Arafat regelmäßig transportieren. In den Beständen gibt es weiterhin nur einige teilgepanzerte Truppentransporter, aber kein einziges Artilleriegeschoss.
"Die Palästinenser können nur auf das zurückgreifen, was sie 'strategische Waffen' nennen: die Selbstmordattentate", sagt Ron Ben Ishai, Militärexperte der israelischen Tageszeitung "Yediot Aharonot". Nur die "Tansim", der militärische Arm von Arafats Fatah-Bewegung, stelle mit seinen rund 6.000 Mann eine Bedrohung dar. Von ihnen seien nur etwa 3.000 Mann unter Waffen, ergänzt Ben Ishai. Derer wolle sich Arafat jedoch bedienen, um eine internationale Intervention in den Palästinensergebieten zu provozieren, meint der Experte.
Keine echte Bedrohung aus dem Norden
Die libanesischen Streitkräfte, die nur einige hundert schlecht ausgerüstete Soldaten zählen, und die syrische Armee sind nach Meinung aller Militärfachleute keine Bedrohung für die israelische Sicherheit.
Damaskus kann zwar nach Ansicht von Experten auf rund eine halbe Million Soldaten, 500 Kampfflugzeuge und reichlich Artillerie zurückgreifen. Doch die militärische Logistik stammt überwiegend aus alten sowjetischen Beständen und ist kaum mehr einsatzfähig. "Einzig die syrischen Raketen mit chemischen oder bakteriologischen Sprengköpfen sind beunruhigend", stellt Ben Ischai fest.
Schwächen im Kampf gegen Guerilla-Verbände
In einem halben Jahrhundert offener oder verdeckter Kämpfe mit seinen Nachbarn hat Israel zwar militärische Stärke gegenüber den arabischen Armeen bewiesen, aber Schwächen vor allem in der Auseinandersetzung mit der libanesischen Guerilla an der Nordgrenze des Landes offenbart. Formiert, um offene Kriege zu führen, haben die israelischen Truppen 1948 und 1967 überwältigende Siege gegen arabische Armeen errungen.
Nach anfänglicher Überraschung im Yom-Kippur-Krieg 1973 schaffte Israel noch den Widerstand gegen die ägyptisch-syrische Offensive. Schwierigkeiten aber hatten die Truppen des jüdischen Staates besonders von 1978 bis 1982 in den Wirren Libanons und von 1987 bis 1993, als die wenig geordnete Intifada, der Palästinenseraufstand in den besetzten Gebieten, wütete.