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Milliarden-Klage gegen Bayern

Von Karl Leban

Wirtschaft

Österreich spielt im Rechtsstreit um Hypo weitere Karte aus, um den Druck auf München zu erhöhen.


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Wien. Schief hängt der Haussegen zwischen Österreich und Bayern schon seit Jahren. Doch jetzt hat der Rechtsstreit um die Lastenverteilung im Milliarden-Debakel der Hypo Alpe Adria einen neuen Höhepunkt erreicht. Fünf Jahre nach der Verstaatlichung der Kärntner Krisenbank hat die Republik die staatliche Bayerische Landesbank, von der sie die Hypo übernommen hatte, nun auf 3,5 Milliarden Euro geklagt. Mit ihrer Klage, die am Freitag beim Handelsgericht Wien eingebracht wurde, ficht sie den damaligen "Kauf" an, weil sie sich im Nachhinein über den wahren Zustand der Hypo getäuscht fühlt. Die eingeklagten Milliarden fordert Österreich als Ablöse für eine Rückabwicklung.

Konkret wird den Bayern vorgeworfen, sie hätten den Kapitalbedarf ihrer Kärntner Tochter vor deren Verstaatlichung "geschönt". Tatsächlich sei dieser Bedarf aber sowohl kurz- als auch mittelfristig viel höher gewesen als von ihnen dargestellt. Zudem hätten die Bayern kurz vor der Verstaatlichung rechtswidrig rund 600 Millionen Euro aus der Hypo abgezogen und eine Zwangslage wegen des großen Balkan-Engagements der Hypo ausgenutzt, sagte Finanzminister Hans Jörg Schelling am Freitag in Wien.

Klage stützt sichauf mehrere Gutachten

Mit einem Wort: "Die Bayerische Landesbank hat die katastrophale Lage der Hypo nicht offengelegt", wie Schelling in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz erklärte. Die falsche Darstellung der finanziellen Situation sei den Bayern auch bewusst gewesen.

Bei ihrer Klage stützt sich die Republik unter anderem auf Gutachten, die von der früheren Hypo (nun Heta) bei einem bereits laufenden Gerichtsverfahren in München verwendet werden, aber auch auf den von der Griss-Kommission Anfang Dezember vorgelegten Untersuchungsbericht. Daneben - so Schelling - gebe es auch zwei neue Gutachten von Rechtsexperten aus dem Ausland.

BayernLB demonstriertGelassenheit

Bei der Formulierung der Klagsschrift hat das Finanzministerium die beiden Wiener Rechtsprofessoren Raimund Bollenberger und Christian Rabl zu Rate gezogen. Das Verfahren selbst wird von der Finanzprokuratur, dem Anwalt der Republik, geführt werden.

Die BayernLB - respektive der Freistaat Bayern - hat Österreichs Klage achselzuckend zur Kenntnis genommen. "Dieser Schritt war zu erwarten", hieß es aus der Münchner Konzern-Zentrale. Man bleibe gelassen.

Dass der österreichische Staat den im Dezember 2009 eingegangenen Hypo-Deal wegen angeblicher Täuschung nun vor Gericht bekämpft, ist die Replik auf eine Klage der BayernLB, mit der diese am Dienstag weiteres Öl ins Feuer gegossen hat. Wie berichtet, fordert Bayerns Staatsbank von Österreich die Zahlung von 2,4 Milliarden Euro; Geld, das sie einst als Kredit in die Hypo gepumpt hatte, Österreich aber nicht bereit ist zu retournieren, weil es geflossen sei, als die Hypo bereits in der Krise war, und es somit einem einschlägigen Gesetz zufolge quasi als Eigenkapital zu sehen sei, das nicht zurückgeführt werden muss.

Der Streit über die hochkomplexe Frage, wer für die Pleitebank Hypo wie viel zahlen muss, beschäftigt nach Klagen und Gegenklagen mittlerweile Heerscharen von Juristen in einer Vielzahl von Gerichtsverfahren. In Summe lag der Gesamtstreitwert zuletzt bereits bei mehr als sechs Milliarden Euro.

Druckmittel füreinen Generalvergleich

Um sämtliche Klagen mit einem Schlag aus der Welt zu schaffen und den unseligen Streit damit zu beenden, ist Österreich seit Monaten um einen Generalvergleich mit Bayern bemüht. Die jüngste Anfechtungsklage zielt daher vor allem darauf, den Druck auf München für eine außergerichtliche Einigung zu erhöhen. Finanzminister Schelling betonte am Freitag denn auch, dass ein Generalvergleich nach wie vor das erklärte Ziel sei. "Im Fall eines akzeptierbaren Generalvergleichs würden alle Klagen zurückzuziehen sein", so Schelling. Und: "Meine Gesprächsbereitschaft bleibt aufrecht." Allerdings sieht Schelling jetzt seinen Ressortkollegen Markus Söder am Zug. Denn ihm habe er vor rund acht Wochen am Telefon bereits Vorschläge für einen Vergleich gemacht, worauf es bisher aber keine Reaktion gegeben habe.

"Es liegt an Söder, ob ein Vergleich zustandekommt", betonte Schelling. Dazu merkte der ÖVP-Minister noch an, dass jede Art von Vergleich nur auf politischer Ebene erfolgen könne. Indes laufen Gespräche auf Expertenebene schon seit längerem.

BayrischesFinanzministerium empört

Söder zeigt seinem Wiener Kollegen unterdessen weiter die kalte Schulter. Auf Österreichs Klage reagierte sein Ministerium am Freitag mit Empörung. Schellings Vorgehen sei "in höchstem Maße unseriös, sowohl was die Kommunikation als auch den Inhalt angeht", meinte eine Sprecherin. Und: Es könne keinen Vergleich mit jemandem geben, der von vornherein sage, er wolle keinen Cent zahlen. Dafür gehe es "um zu viel Geld", so die Sprecherin. Im Übrigen habe der Bericht der Hypo-Untersuchungskommission bestätigt, dass die Fehler "eindeutig auf österreichischer Seite" lägen und die Bundesregierung in Wien die Verantwortung für die Art der Verstaatlichung trage.

Zu Wort meldete sich am Freitag auch der Vize-Chef der Freien Wähler im Bayerischen Landtag, Bernhard Pohl. Für ihn sind Schellings Vorwürfe "dreist". Dass die Hypo Alpe Adria bei ihrer Verstaatlichung durch die Republik Österreich in einem maroden Zustand gewesen sei, "war damals öffentlich bekannt und kein Geheimnis". Die österreichische Anfechtungsklage wertet Pohl deshalb als "Ablenkungsmanöver".

Erfolgsaussichtenhöchst unklar

Indes sind die Erfolgschancen der 3,5 Milliarden Euro schweren Klage, die - Detail am Rande - keine Auswirkungen auf den gerade laufenden Verkauf der Hypo-Balkanbanken hat (zumal eine Rückabwicklung der Verstaatlichung nicht angestrebt wird), höchst unklar. Schelling nahm dazu keine Stellung. Er meinte lediglich: "Ich glaube nicht, dass die Bayern sich so sicher fühlen." Zudem sprach er von einem "extrem langwierigen Verfahren, wenn man durch alle Instanzen geht".

Zur Klage der Oppositionsparteien, die diese gegen das Hypo-Sondergesetz beim Verfassungsgerichtshof in Kürze einbringen wollen, sagte Schelling: "Das ist eine Gesetzprüfungsbeschwerde. Ich war überrascht, wie lange die brauchen, um das zu machen, was die Bayern schon längst getan haben."

So wie die Bayerische Landesbank wollen auch FPÖ, Grüne und Neos das Gesetz zu Fall bringen - allerdings aus anderen Motiven. Während die Bayern den gegen sie verfügten Schuldenschnitt von 800 Millionen Euro bekämpfen, will die Opposition über das Kippen des Sondergesetzes eine Insolvenz der Hypo/Heta erzwingen, die Österreich aus ihrer Sicht vergleichsweise billiger käme.