Rettungskredit des IWF erfordert harte Einschnitte. | Neu Delhi. Gleich acht Kinder sind an diesem Morgen mit ihren Müttern ins Waisenheim in Mithadar in der Altstadt von Karachi gekommen. Alle weinen. Denn die drei Frauen haben beschlossen die Kleinen der Edhi-Foundation zu überlassen, der größten Hilfsorganisation in Pakistan, weil sie nicht mehr selbst für sie sorgen können. Die Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren heulen und schreien, sie wollen ihre Mütter nicht gehen lassen. Die neuen Kleider und das warme Essen trösten sie nicht.
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"Die Armut in Pakistan hat jetzt auch die untere Mittelklasse erreicht und zwingt Eltern, ihre Kinder zu verlassen", sagte Stiftungsleiterin Bilqis Edhi. Sie kann sich an keinen Fall erinnern, wo acht Kinder von Eltern, die noch lebten, an eines ihrer Zentren abgegeben wurden.
Pakistans Wirtschaft erlebt die schlimmste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die weltweite Rezession und die globale Finanzkrise reißen das Land weiter in den Abwärtsstrudel: Die Inflation liegt bei 30 Prozent, in den letzten drei Monaten hat die pakistanische Rupie ein Viertel ihres Wertes verloren, Währungsreserven reichen vermutlich nur noch Tage. Wochenlang hat Pakistan versucht, sich Geld zu leihen.
Saudi-Arabien, China und USA winkten ab
Unentwegt war Präsident Asif Ali Zardari auf Betteltour. Doch die Freunde winkten allesamt ab: China hat angedeutet, es habe wenig Interesse, Geld in einen zunehmend dysfunktionalen Staat zu pumpen, der immer tiefer in Terror und Krieg versinkt. Der Bündnispartner USA kämpft selbst mit einer schweren Krise und will nichts mehr geben, ohne dass es im Anti-Terrorkampf an der Grenze zu Afghanistan klare Fortschritte gibt. Und selbst das treue Königreich Saudi-Arabien wollte kein Öl im Werte von 5,9 Milliarden US-Dollar auf Vorschuss liefern.
Zuletzt blieb nur noch der Gang zum Internationalen Währungsfonds (IWF), der nun mit einem Kredit von 7,6 Milliarden US-Dollar (rund sechs Milliarden Euro) einspringen soll.
Es ist nicht das erste Mal, dass die islamischen Republik diesen Ausweg sucht. Die Regierungen von Benazir Bhutto und Nawaz Sharif hatten bereits in den 90er Jahren Kredite aufgenommen. Auch Ex-Präsident Pervez Musharraf, der im September nach acht Jahren an der Macht auf internen und externen Druck zurücktrat, begann seine Amtszeit unter einem strikten IWF-Programm. Doch diesmal könnten die Auswirkungen für das Land besonders schmerzhaft sein.
Der Fonds verlangt starke Kürzungen, um das auseinanderklaffende Haushaltsdefizit von inzwischen sieben Prozent auf vier Prozent herunterzubringen. Islamabad hat bereits seine ausufernden Subventionen für Benzin und Strom drastisch zurückgefahren.
Drohende Preissteigerungen
"Praktischer jeder Bereich, der einen Einfluss auf das Leben der arbeitenden Menschen hat, wird Preissteigerungen sehen", prognostiziert die pakistanische Tageszeitung "The News".
Transportkosten könnten in den nächsten drei Jahren um bis zu 400 Prozent steigen und damit auch Nahrungsmittel und andere Güter deutlich verteuern. Strom soll bis 2011 um 32 Prozent teurer werden, Gas um 39 und Benzin um 15 Prozent. Auch Medikamente werden mehr kosten, weil sie künftig der Mehrwertsteuer unterliegen.
Pakistan ist nicht das einzige Land, das sich wegen drohenden Bankrotts an den IWF wenden muss. Auch Ungarn, Island und die Ukraine mussten die Geldverleihern um Hilfe bitten. Doch die Krise in Pakistan hat sich lange abgezeichnet. Das Land lebt schon seit Jahren über seine Verhältnisse. Aber weil die Politik viel zu lange mit sich selbst als mit der katastrophalen Wirtschaftslage beschäftigt war, kommt der Gang zum IWF spät. Der neue Kredit wird Pakistan weit teurer zu stehen kommen, als das noch vor der Finanzkrise der Fall gewesen wäre. Leidtragende werden vor allem die Armen sein.