Zum Hauptinhalt springen

Milliardenvermögen bereitet dem Finanzminister Kopfzerbrechen

Von Christiane Oelrich

Wirtschaft

Der Schweizer Finanzminister Kasper Villiger schlägt sich mit einem Problem herum, um das ihn Kollegen in anderen Ländern sicherlich beneiden: Wie lassen sich 17 Mrd. Franken (10,94 Mrd. Euro/151 Mrd. Schilling) unter das Volk bringen? Der Geldsegen steht durch den Verkauf von 1.300 Tonnen Gold ins Haus.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das ist die Hälfte des nationalen Goldschatzes, die in den nächsten vier Jahren abgestoßen werden soll. Mit einer Gesetzesänderung war die Goldbindung des Schweizer Franken am 1. Mai aufgehoben worden, die hohen Goldreserven sind damit nicht mehr nötig.

Bargeld für jedermann . . .

Das Geld ist Volksvermögen, die Aussicht auf den Geldsegen hat allerlei Ideen hervorgebracht: Ein Bargeschenk in Höhe von ein paar tausend Franken für jeden der gut 7 Millionen Einwohner etwa, Steuersenkungen für alle oder ein Anschluss an ein superschnelles Datennetz für jeden Haushalt. Kantone möchten ihre Schuldenlast senken, die Rentenkasse soll saniert werden, Schulen und Universitäten wollen in die Bildung investieren. Jeder will vom Geldregen profitieren.

Eine Solidaritätsstiftung . . .

Die Regierung will auf jeden Fall 7 Mrd. Franken für wohltätige Zwecke nutzen. Sie löst damit ein Versprechen ein, das sie vor drei Jahren auf der Höhe der Nazigold-Krise machte. Damals stand die Schweiz wegen ihrer Bankgeschäfte für Nazi-Deutschland international als Kriegsgewinnler am Pranger. Sie versprach eine Solidaritätsstiftung für Not Leidende in aller Welt - doch der Befreiungsschlag misslang. Die Kritik blieb, Banken und Industrie wurden von jüdischen Organisationen kräftig zur Kasse gebeten. Damit habe sich die noble Idee einer Stiftung doch erledigt, finden viele Bürger.

Darüber, was mit dem Rest des Geldes geschehen soll, schickte die Regierung nun zwei Vorschläge "in die Vernehmlassung", wie es in der Schweiz heißt. Die Parlamentskammern sollen entscheiden, ob eine Bildungsoffensive finanziert oder Schulden getilgt werden. Letzteres wäre ein Tropfen auf den heißen Stein, meint die Regierung, das Vermögen wäre weg und die Schuldenlast von Bund und Kantonen nur um 6% gesenkt. Sie setzt deshalb auf die Variante, das Vermögen zu erhalten und nur die Zinsen in Umlauf zu bringen.

Große Bildungsoffensive . . .

Rosige Zeiten kämen dann auf Bildungshungrige zu: Mit den je nach Anlage jährlich 200 bis 600 Mill. Franken Zinsen könnten Lehrer in Sonderkursen in Informations- und Kommunikationstechnologien geschult werden. Eine eigens entwickelte Software für Schulen wäre auch noch möglich. Mit Gratiskursen würde das ganze Schweizer Volk computer-fit gemacht. Danach könnten die Zinsen noch für ein paar Jahre genutzt werden, um Rente und Sozialleistungen für Arme und Kranke aufzubessern.

Oder in die Pensionen?

Der rechtsnationalen Schweizer Volkspartei (SVP) sind die Ideen der Regierung ein Gräuel. Alles Geld zur Sanierung der Pensionkasse, fordert sie, und will darüber eine Volksabstimmung erzwingen. Eine Umfrage der Boulevardzeitung "Blick" zeigte, dass die SVP damit den Nerv des Volkes trifft: 63% sprachen sich in einer - nicht repräsentativen - Telefonaktion für diese Variante aus. 17% hätten auch nichts gegen einen fetten Barscheck einzuwenden. Die Solidaritätsstiftung fand nur 1% der Anrufer gut, die Bildungsoffensive immerhin 2%.