In Litauen dreht sich vor der Parlamentswahl am Sonntag alles um Viktor Uspaskich und die "Partei der Arbeit" (Darbo Partija). Sämtliche Umfragen prophezeien dem Multimillionär und seiner Partei einen klaren Sieg. Spannend werden die Koalitionsverhandlungen. Alle etablierten Parteien stehen der "Darbo" skeptisch gegenüber, einzig die konservative Vaterlandsunion hat eine Zusammenarbeit eindeutig ausgeschlossen.
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Der aus dem nordrussischen Archangelsk stammende Wirtschaftskapitän und als Populist geltende Uspaskich ist in Litauen auf dem Vormarsch. Seine Partei erzielte bei den EU-Wahlen im Juni mit über 30 Prozent der Stimmen einen erdrutschartigen Sieg. In den jüngsten Umfrageergebnissen liegt die "Darbo" mit 38 Prozent weit vor der regierenden Koalition aus Sozialdemokraten und Sozialliberalen, die auf etwa 19 Prozent kommt. Der 45-Jährige kündigte im Wahlkampf unter anderem an, die Pensionen massiv erhöhen zu wollen und mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Ein Versprechen das bei Hunderttausenden - trotz Wirtschaftswachstum - sozial und finanziell extrem schlecht gestellten Litauern auf fruchtbaren Boden fällt.
Politikwissenschafter sehen Uspaskichs bisherigen Erfolg auch in dem generellen Bedürfnis der litauischen Wähler nach neuen unverbrauchten Gesichtern. "Die Leute sind für jeden, der - in ihren Augen - noch nicht gestohlen hat", umriss es der Politologe Mindaugas Jurkynas in der aktuellen Ausgabe der englischsprachigen "Baltic Times".
Unter Einfluss Russlands?
Sämtliche etablierten Parteien stehen Uspaskich skeptisch gegenüber. Er stehe unter starkem Einfluss Russlands, heißt es, und seine Partei werde von russischem Kapital gespeist. Beweise dafür gibt es bisher keine. Aber es weckt böse Erinnerungen an den größten politischen Skandal, der die größte und südlichste baltische Republik letztes Jahr erschüttert hat. In einem langwierigen Amtsenthebungsverfahren wurde dabei im Frühjahr Präsident Rolandas Paksas ausgehebelt. Dieser hatte seinem Mäzen, einem äußerst zwielichtigen russischen Geschäftsmann, nicht nur die litauische Staatsbürgerschaft, sondern nach Erkenntnis der Amtsenthebungskommission auch noch sicherheitspolitisch heikle Informationen zugespielt.
Und Paksas hatte seine Wahlen mit Hilfe der verarmten Landbevölkerung gewonnen, die vom litauischen Wirtschaftswunder bisher nichts mitbekommen hat. So ist etwa die Hälfte der Bevölkerung mit dem Verlauf der Demokratie seit dem Zusammenbruch der UdSSR unzufrieden, wie eine von der Nachrichtenagentur Reuters zitierte Studie verrät. Der neue Wohlstand konzentriert sich vor allem auf die urbane und junge Bevölkerung, mit der alleine keine Wahlen zu gewinnen sind.
Regierungsbildung schwierig
Wer nach dem Wahlsieg der "Darbo" mit ihr die Regierung bilden soll ist allerdings offen. Einzig die konservative Vaterlandunion - sie liegt in Umfragen bei etwa 10 Prozent - hat bisher eine Koalition definitiv ausgeschlossen. Premier Brazauskas hält sich bedeckt. Politologen spekulieren über eine Regenbogenkoalition der Regierungsparteien mit einigen kleineren Gruppen gegen die "Partei der Arbeit".
Davon könnte es einige im Parlament geben: Am 10. Oktober bewerben sich mehr als 20 Parteien um die 141 Abgeordnetenplätze; wer mehr als fünf Prozent erreicht wird im Parlament vertreten sein. Eventuelle Stichwahlen sollen am 24. Oktober stattfinden.