Gemüsebauern bangen um ihre Existenz. | Maßnahmenpaket für heimische Bauern ist eine Million Euro schwer. | Bisher hatten Lebensmittelskandale kaum langfristige Folgen. | Wien. Der Ruf von europäischem Gemüse ist ramponiert. Obwohl sich die Verdachtsmomente, dass spanische Gurken für die EHEC-Epidemie verantwortlich seien, nicht erhärtet haben, kaufen die Konsumenten im Moment kein Gemüse. Einige Bauern fürchten deswegen sogar um ihre Existenz. | EHEC-Proben in Oberösterreich 'negativ' | Verdächtiger Erkrankungsfall in der Stadt Salzburg | Die Nadel im Therapie-Heuhaufen | Merkel stellt sich vor deutsche Behörden | Hoffnungsschimmer in Deutschland | Wissen: Der EHEC-Erreger
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Ein Paradeiserbauer aus dem deutschen Nettetal am Niederrhein hat ausgerechnet, dass er pro Woche mehr als 6000 Euro Schaden hat. Die Summer ergibt sich aus den Heizkosten für das Glashaus, die Löhne für die Angestellten und die Investitionen in ein neues Gewächshaus, das gerade entsteht. Einnahmen gebe es zur Zeit aber keine. "Wenn das so weitergeht, denn gehen hier in vier Wochen die Lichter aus", meint er.
Bauern fordernUnterstützung der EU
Auch in Österreich herrscht für die Gemüsebauern gerade die sprichwörtliche Saure-Gurken-Zeit. Alleine am Freitag vernichtete LGV Frischgemüse, Österreichs größter Gemüseproduzent, weitere 500.000 Gurken. In Summe landeten bisher 1,5 Millionen Stück auf dem Müll, schätzt Robert Fitzthum von der Landwirtschaftskammer Wien. Wie hoch der Schaden in Summe ist, kann noch nicht beziffert werden, aber alleine die LVG, die von rund der Hälfte der heimischen Bauern beliefert wird, schätzt die Einbußen bisher auf 300.000 Euro. Hinzu komme auch, dass der Gurkenpreis aufgrund der Krise gesunken ist. Hierzulande gab er laut Fitzthum um zehn Prozent nach, außerhalb der Landesgrenzen seien die Preise aber im Keller. Über das Wochenende solle sich die Lage aber entspannen, erwarten die Lebensmittelhändler.
Aber nicht nur die österreichischen, sondern auch die deutschen und französischen und vor allem die spanischen Gurkenbauern klagen über Ausfälle. In Deutschland wird mit Einbußen von rund 30 Millionen Euro pro Woche gerechnet, während die Darmseuche den Franzosen innerhalb einer Woche "nur" 1,5 Millionen Euro gekostet hat. Besonders hart getroffen wurden aber die Spanier, da der Auslöser der Epidemie hier vermutet wurde. Den Obst- und Gemüse-Exporteuren des Landes ist nach eigenen Schätzungen in der vergangenen Woche ein Schaden von mehr als 200 Millionen Euro entstanden.
Wegen der falschen Einschätzung will Spanien nun "von den relevanten Behörden in Europa Entschädigungen für den entstandenen Schaden fordern", sagte Regierungschef Jose Luis Rodriguez Zapatero kürzlich. Schadenersatzforderungen kommen auch von den deutschen und niederländischen Bauern und auch die heimischen Landwirte fordern finanzielle Entschädigung.
Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich will unterdessen mit einem "Maßnahmenpaket" gegen die Gemüse-Absatzeinbußen ankämpfen. Er wolle, dass der Gemüsesektor "wieder voll durchstarten kann". Dafür gebe es rund eine Million Euro aus AMA- und EU-Mitteln. Mit Marketing- und Informationsmaßnahmen hoffe man, "das Konsumentenvertrauen wiederzugewinnen und den Absatz anzukurbeln". Der Minister fordert zudem erneut von der EU, "Hilfsmaßnahmen für die Gemüsebauern zu prüfen".
Trotz BSE wirdRindfleisch gegessen
Auch wenn die Lage für viele Gemüsebauern im Moment nicht gerade rosig ist, so dürften längerfristige Folgen aber ausbleiben. Ein Blick in die Aufzeichnung der Statistik Austria zeigt, dass sich die Konsumenten in der Vergangenheit von Lebensmittelskandalen eher unbeeindruckt gezeigt haben. So ging zwar im Jahr 2001, als der erste Fall der Rinderseuche BSE in Österreich aufgetreten ist, der jährliche Rind- und Kalbfleischkonsum von 13,1 Kilo auf 12,3 Kilo zurück, stieg aber im Jahr 2002 wieder auf 12,6 Kilo pro Jahr an. Auch die Schweinezüchter haben immer nur kurz unter den Dioxin-Skandalen gelitten. Der Schweinefleischkonsum hat sich in Österreich zwischen 1994 und 2009 kaum verändert und lag immer bei rund 40 Kilo. Auch der letzte Dioxin-Skandal war nur von kurzer Dauer. Im Jänner 2011 sank zwar der Konsum um bis zu 20 Prozent, aber aktuell gebe es keine Auswirkungen mehr, berichtet Georg Mayringer vom Verband der österreichischen Schweinebauern.
Aber nicht immer bleiben die Lebensmittelskandale ohne Folgen für die Hersteller. Im steirischen Hartberg wurde die Quargelproduktion aufgrund der Listerienfälle eingestellt. Das Geschäft wurde im Anschluss verkleinert und 50 Leute beim AMS angemeldet.