Zum Hauptinhalt springen

Milosevic steht vor düsterer Zukunft

Von Thomas Brey

Politik

Wien · "Slobodan, sie nennen Dich den Freien, Dich mögen Jung und Alt. Solange Du das Land regierst, wird niemand das Volk versklaven können." Geradezu hymnisch hatte sich der jugoslawische | Präsident von seinen Landsleuten Ende der 80er Jahre feiern lassen. "Zar Lazar! Sind wir nicht glücklich, daß neben Dir Slobodan schreitet?" sangen die Massen. König Lazar hatte das serbische Heer im | Jahre 1389 bei ihrer historischen Niederlage gegen die Osmanen auf dem Amselfeld angeführt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 25 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ob Milosevic nach der "zweiten Niederlage auf dem Kosovo polje" sowie der Zerstörung Jugoslawiens und seiner Heimatrepublik Serbien auch persönlich vor dem Aus steht, ist noch nicht

abzusehen. Alle Diplomaten und Experten sind sich aber einig, daß er in jedem Fall einer düsteren Zukunft entgegensieht. Das erste politische Opfer von Milosevic, der Belgrader KP-Chef Dragisa

Pavlovic, wurde im September 1987 abserviert, weil er die "leicht versprochene Schnelligkeit" von Milosevic bei der Lösung des Kosovo-Problems gerügt hatte.

Zwölf Jahre später steht der "starke Mann" Jugoslawiens vor den Trümmern seiner Großmachtpolitik. Mit der rigorosen Unterdrückung der 90prozentigen albanischen Bevölkerungsmehrheit in der Provinz

Kosovo startete Milosevic seine Karriere zum unangefochtenen Autokraten. Die wegen der mittelalterlichen Schlachtfelder und Klöster als "das Herz Serbiens" bezeichnete Region könnte jetzt

auch das endgültige Ende für Milosevic bringen.

Die erste Niederlage auf dem Amselfeld und die folgende 400jährige osmanische Unterdrückung war über die Jahrhunderte zu einem Opfergang zur Verteidigung der Christenheit gegen die Moslems und in

einen Anlaß für nationale Feiern umgedeutet worden. Die Freudentänze der Bevölkerung in praktisch allen serbischen Städten Mittwoch nacht belegen eine gespenstische Parallele: Auch hier wird die

militärische Niederlage der serbischen Soldaten im Kosovo gefeiert.

Davon wollen die staatlich kontrollierten Medien natürlich nichts wissen. Sie deuten den Verlust des Kosovos für Belgrad in einen grandiosen Sieg um. "Die Politik von Präsident Milosevic hat

gewonnen", die NATO sei im Grunde besiegt, weil UNO-Truppen jetzt das Kommando übernähmen, wird ohne Scham gelogen.

Noch kann sich Milosevic an der Spitze der Macht sicher fühlen, weil er von Anfang an den Sicherheitsapparat, das Militär und die Polizei an sich gebunden hat. Die Oppositionsparteien hatte er schon

vor Jahren aufeinander gehetzt, zersplittert und damit lahmgelegt.

Der frühere Oppositionsführer Vuk Draskovic ist durch seine vielen spektakulären politischen 180-Grad-Wenden heute bedeutungslos. Zoran Djindjic, im Westen hofierter Chef der oppositionellen

Demokratischen Partei, hat nur noch ein Häuflein Aufrechter hinter sich. Der Ultranationalist Vojislav Seselj scheidet als politische Alternative aus, weil er den Krieg "Serbien gegen den Rest der

Welt" weiterführen will.

Fürchten muß sich Milosevic zunächst einzig vor seiner eigenen Bevölkerung, die wegen der riesigen Zerstörungen im Land auf eine trostlose Zukunft zusteuert.