Frau und Kinder waren nicht anwesend | Peter Handke als Überraschungsgast
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Der frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic ist am Samstagabend kurz vor 18.00 Uhr unter einer Linde im Garten seines Familienhauses in Pozarevac, seinem Geburtsort, beigesetzt worden. Der Beerdigung des im Gefängnis des UNO-Kriegsverbrechertribunals (ICTY) einem Herzinfarkt erlegenen Politikers wohnten etwa 50 Menschen bei. Dabei handelte es sich vorwiegend sozialistische und ultranationalistische Spitzenfunktionäre sowie einige Auslandsgäste.
Die engsten Familienangehörigen waren nicht anwesend. Bevor der Sarg ins Grab gelegt wurde, wurden Abschiedbriefe des Sohnes Marko und der Gattin Mira Markovic verlesen. Die in Montenegro wohnende Tochter Marija hat sich von ihrem Vater nicht verabschiedet.
Nur in seiner Heimatstadt wurden dem Haager Angeklagten hohe Ehren zuteil. Etwa 15.000 Menschen säumten die Straße, als der Sarg vorbeigefahren wurde und warfen rote Rosen. Die serbische Staatsflagge vor Milosevic' Villa wurde auf Halbmast gesenkt. In Pozarevac war als einziger serbischen Stadt heute ein Trauertag.
Bei der letzten öffentlichen Trauerkundgebung hielt der österreichische Starautor Peter Handke eine kurzen Ansprache auf Serbisch. "Die so genante Welt ist heute abwesend, nicht nur heute, nicht nur hier. Die so genannte Welt ist keine Welt", sagte Handke.
Der Autor hat in mehreren literarischen Texten und öffentlichen Äußerungen Sympathien für die Haltung Serbiens beim Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien gezeigt. Besonders kontrovers war sein im Jahr 1996 erschienener Essay "Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien." Im Kosovo-Krieg 1999 warf er den NATO-Staaten vor, "ein neues Auschwitz" in Jugoslawien hervorgerufen zu haben.
Handke hat Milosevic Mitte 2004 auch zu einem dreistündigen Gespräch im Gefängnis in den Niederlanden aufgesucht. Eine Einladung als Entlastungszeuge im Prozess wegen Kriegsverbrechen gegen Milosevic schlug er jedoch aus.
Kirche bezieht nicht Stellung
Während Milosevic-Gegner rund um den Radiosender B92 an die Verbrechen des früheren Präsidenten erinnerten, versuchte der Patriarch de Serbischen Orthodoxen Kirche, Pavle, jede Wertung zu vermeiden. Er betonte das "Recht eines jeden Menschen auf ein Grab und ein würdiges Begräbnis".
Verbitterung in Srebrenica
In der bosnischen Stadt Srebrenica, dem Ort, wo serbische Truppen im Juli 1995 fast 8.000 moslemische Burschen und Männern ermordet haben, waren die Menschen verbittert. Überlebende und Angehörige von Opfern des Massakers bedauern, dass der vor einer Woche gestorbene Milosevic nun nicht mehr verurteilt werden kann.
"Ich bedauere, dass er nicht lange genug gelebt hat, um zu hören, wie das Gericht ihn wegen der Verbrechen an unseren Lieben schuldig spricht", sagte Sadeta Dzozic. "Aber Gott wird ihn richten", fügte die Einwohnerin von Srebrenica hinzu, deren 19-jähriger Sohn sowie rund 30 männliche Verwandte 1995 von bosnischen Serben ermordet wurden.