So wenige sie auch sind - im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) prägen die Siebenbürger Sachsen die Politik. | Wenn Hans Klein es erklären will, steht er von seinem Sessel auf, stellt sich hin, die Beine leicht auseinander, und breitet seine Arme aus. "Wenn ich fest auf dem Boden stehe, kann ich die Arme öffnen und jemanden festhalten", sagt er. So möchte er verständlich machen, warum die Siebenbürger Sachsen vor allem in der mittelrumänischen Stadt Sibiu (Hermannstadt) so beliebt sind. Sie machen dort gerade einmal 1,5 Prozent der Bevölkerung aus, doch sie stellen zwei Drittel der Stadträte. Und der Bürgermeister, Klaus Johannis, ist auch einer von ihnen.
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Wer Besuchern die Erfolge der derzeitigen europäischen Kulturhauptstadt mit ihren rund 180.000 Einwohnern erläutern will, Gründe für den wirtschaftlichen Aufschwung, die relativ niedrige Arbeitslosigkeit und die große Anziehungskraft für ausländische Investoren, verweist oft auf so genannte deutsche Tugenden. Ordnung und Fleiß der Siebenbürger Sachsen hätten Kultur und Politik geprägt - und eine hohe Sozialkontrolle, die Korruption erschwere. Ebenso hätten deutsche Schulen, deren Schüler mittlerweile zu 90 Prozent Rumänen sind, einen ausgezeichneten Ruf.
Auch gebe es eine 850 Jahre lange Tradition des friedlichen Zusammenlebens mit den Rumänen, erzählt Paul-Jürgen Porr. Der Arzt ist Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen, dem auch Hans Klein angehört. Der Verein ist ein ethnischer Verband, der die Interessen der Deutschen in Rumänien vertreten möchte. Er wolle aber auch eine Verbindung zu anderen Minderheiten schaffen, erläutert Porr. So werden auch Hilfsprojekte etwa für Roma unterstützt.
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Die größte Minderheit in Rumänien waren die Deutschstämmigen nie. Weit mehr gab - und gibt - es Ungarn und Roma. Laut dem Demokratischen Forum lag die Höchstzahl der Deutschen bei 800.000 Menschen. Viele von ihnen sind im 13. Jahrhundert aus dem Rhein-Mosel-Gebiet eingewandert, etwa aus der Gegend um Luxemburg - das heuer übrigens ebenfalls Kulturhauptstadt ist.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, nach massenhaften Deportationen nach Sibirien, fing die Auswanderung nach Deutschland an. Und die so genannte Familienzusammenführung brachte dem kommunistischen Diktator Nicolae Ceausescu beträchtliche Einnahmen. 5000 bis 12.000 D-Mark soll die deutsche Regierung pro Emigrantenkopf bezahlt haben. "Der sicherste Exportartikel Ceasescus sind die Deutschen", hieß es daher bissig.
Bis zu 15.000 Menschen wanderten jährlich aus; auf ihre Häuser und Felder mussten sie verzichten. 1989 waren noch 250.000 Deutsche im Land. Die massivste Auswanderungswelle folgte auf den Umsturz 1989. Bei der Volkszählung 1992 waren es 120.000 Deutsche, zehn Jahre später nur noch 60.000. Die größten Gruppen davon - je an die 25.000 Menschen - bilden die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben.
Freilich waren sie nicht die einzigen, die aus meist wirtschaftlichen Gründen das Land verließen, das vor 18 Jahren noch rund 23 Millionen Einwohner hatte. Geschätzte drei bis vier Millionen Rumänen arbeiten im Ausland: als Erntehelfer in Italien, auf dem Bau in Spanien oder als IT-Experten in Kanada.
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In manchen Gegenden Transsilvaniens, wie Siebenbürgen heißt, ist Deutsch nur noch die Sprache der Grabsteine und einiger weniger älterer Menschen. Geblieben sind dort von den Sachsen die mittelalterlichen Städte, in deren ummauertem Kern einst nur Deutsche wohnen durften und die massiven Kirchen, wie Trutzburgen von Wehrtürmen umgeben.
Nicht überall werden die Sachsen so geschätzt wie in Sibiu. Dort jedoch versucht nicht nur das Deutsche Forum Traditionen zu pflegen. Auch Rumänen verweisen gern auf die Geschichte. Schon im Jahr 1998 beschloss der Stadtrat, auf die Ortstafeln von Sibiu ebenfalls Hermannstadt zu schreiben. Damals war der Bürgermeister noch kein Siebenbürger Sachse. Klaus Johannis wurde 2000 gewählt und vier Jahre später bestätigt - mit fast 90 Prozent der Stimmen.