"Mindestens die Hälfte" der im Rahmen der Steuerreform angepeilten Entlastung von 3 Milliarden Euro soll zugunsten der Arbeitnehmer verwendet werden, verlangt der neue Generalsekretär des ÖAAB, Werner Amon, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Dass er sich damit im Widerspruch zur Parteilinie befindet, glaubt er nicht. Vom Wirtschaftsflügel der ÖVP verlangt er, zum gemeinsam ausgehandelten Recht auf Teilzeit zu stehen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Wiener Zeitung": Für den ÖAAB hat bei der Steuerreform die Entlastung der Arbeitnehmer Vorrang. Damit sind Sie auf einer Linie mit der FPÖ. Von Seiten der ÖVP wird jedoch stets die Entlastung der Unternehmen betont.
Amon: Die Hauptlinie gibt nach wie vor der Bundeskanzler vor. Auch er will eine Entlastung des Mittelstandes - und zwar auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. Wir arbeiten aber noch intern an einem ÖVP-Papier zur Steuerreform. Für uns ist aber klar, dass nicht der überwiegende Teil der angepeilten 3 Mrd. Euro in eine Senkung der Körperschaftssteuer gehen kann. Die braucht es sicher, aber genauso wichtig ist eine Entlastung der Arbeitnehmer. Und zwar über das Ausmaß hinaus, das jetzt mit 1.1.2004 in Kraft tritt. Es geht darum, den Menschen Kaufkraft zu geben.
"Wiener Zeitung": Wieviel der 3 Mrd. Euro soll dafür aufgewendet werden?
Amon: Mindestens die Hälfte. Dabei muss jedoch auch ein starker familienpolitischer Impuls gesetzt werden. Bei einem künftigen steuerfreien Einkommen von 14.500 Euro jährlich sind Haushalte, in denen beide Partner verdienen, gegenüber alleinverdienenden Familienerhaltern bevorzugt. Das kann nicht unser Ziel sein. Deshalb müssen diese 14.500 Euro auch für den nichtverdienenden Partner angenommen werden. Es muss ein steuerfreies Existenzminimum geben. Allerdings wollen wir nicht am System der Individualbesteuerung rütteln.
"Wiener Zeitung": Sie unterstützen demnach die Forderung der FPÖ nach einer Erhöhung der Absetzbeträge?
Amon: Umgekehrt: Es freut mich, dass die FPÖ hier unsere Position unterstützt. Eine Erhöhung der Absetzbeträge macht Sinn.
"Wiener Zeitung": Diese Woche endet die Begutachtungsfrist für den Entwurf zum Recht auf Teilzeit. Experten kritisieren, dass durch die vielen Einschränkungen nur eine Minderheit dieses Recht in Anspruch nehmen kann. Wird dadurch nicht der Ausstieg aus dem Berufsleben begünstigt, um bei der Kinderbetreuung sparen zu können?
Amon: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist wahrscheinlich die größte Herausforderung der nächsten Jahrzehnte. Wir haben zu wenig Kinder, also müssen wir Bedingungen schaffen, die eine Vereinbarkeit garantieren. Hier ist das Recht auf Teilzeit ein erster Schritt. Natürlich kann es nicht unser Ziel sein, zwei Klassen von Arbeitnehmern zu schaffen: Solche, die in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern arbeiten, und jene, die in kleineren Betrieben beschäftigt sind. Im Sinne einer innerparteilichen Sozialpartnerschaft haben wir uns aber auf dieses Modell geeinigt.
"Wiener Zeitung": Die Wirtschaftskammer hat aber den Entwurf abgelehnt.
Amon: Ich sehe ein, dass kleinere Betriebe hier Probleme haben. Daher stehe ich auch zu dem, was wir mit der Kammer ausverhandelt haben. Dass nun die Wirtschaft diesen Entwurf untergräbt, ist für mich völlig unverständlich. Für Betriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern muss es - da kann ich mich mit den Vorschlägen der Wirtschaftskammer anfreunden - zu einer Selbstverpflichtung kommen, um die Teilzeitarbeitsplätze zu erhöhen. Das müssen aber freiwillige Teilzeitarbeitsplätze sein. Darüber hinaus soll für kleinere Unternehmen eine AMS-Förderung entwickelt werden, indem Ersatzkräfte zumindest teilweise finanziert werden. Das muss jedoch unabhängig von der Frage nach mehr Kinderbetreuungseinrichtungen geschehen.
"Wiener Zeitung": Gab es bereits Gespräche, um die Differenzen zu beheben?
Amon: Über interne Gespräche rede ich nicht. Jetzt läuft einmal das Begutachtungsverfahren. Ich gehe davon aus, dass das, was vereinbart wurde, auch hält.
"Wiener Zeitung": Bei der Pensionsharmonisierung und beim Privilegienabbau hat man mitunter den Eindruck, die Regierung schont VP-Klientel wie Lehrer und Beamte und geht mit aller Härte gegen die Klientel der SPÖ, etwa die Eisenbahner, vor.
Amon: Es gibt bereits seit vielen Jahren gravierende Einschnitte bei den Beamten. Bei den Pensionen ist eine Annäherung der verschiedenen Systeme notwendig. Hier muss ich mit langen Übergangszeiten arbeiten. Aber es ist durchaus möglich, dass am Ende vielleicht auch eine Stichtagsregelung herauskommt. Das ist nicht zuletzt eine Frage der Gerechtigkeit.
"Wiener Zeitung": Apropos Gerechtigkeit: Wie ist diese mit den derzeitigen Lehrer-Frühpenisonierungen vereinbar?
Amon: Das ist schwer erklärbar, das gebe ich zu. Aber man muss auch die Abschläge sehen, die diese Lehrer ungedeckelt in Kauf nehmen.
"Wiener Zeitung": Der ÖAAB wurde in der Vergangenheit oft mit dem Vorwurf der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit konfrontiert.
Amon: Unser Einfluss ist groß genug, wenn wir nur wollen.
Das Gespräch führten Brigitte Pechar und Walter Hämmerle