Hundstorfer: "Den Wünschen des Koalitionspartners nachgegeben." | Bund zahlt 120 Millionen Euro, Länder 50 Millionen. | Wien. Die geplante bedarfsorientierte Mindestsicherung kommt - aber mit Verspätung. Und zwar mit dem 1. September 2010, wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer am Dienstag beim Ministerrat bekannt gab. Zur Erinnerung: Hundstorfers Amtsvorgänger Erwin Buchinger hatte vor zwei Jahren von einer Einführung 2009 gesprochen.
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Außerdem wird die Leistung, die künftig die Sozialhilfe der Länder ersetzen soll, nicht wie ursprünglich geplant 14 Mal, sondern nur 12 Mal im Jahr ausbezahlt. Mit einem Verschlechterungsverbot soll verhindert werden, dass die Bezieher künftig in Summe weniger erhalten als derzeit. Denn die Sozialhilfe ist zwar teils viel niedriger als die geplante bundesweit einheitliche Mindestsicherung, allerdings zahlen derzeit alle Länder außer Wien die Sozialhilfe 14 Mal jährlich aus (Grafik).
Hundstorfer erklärte diese überraschende Wende nach dem Ministerrat mit einem "politischen Kompromiss" - man habe den "Wünschen des Koalitionspartners nachgegeben". Als Eingeständnis an das magere Budget in Zeiten der Krise will er die Reduktion nicht verstanden wissen.
Anders Finanzminister Josef Pröll. Er führte zwar ebenfalls politische Gründe an: "Es soll keine Analogie zum 13. und 14. Monatsgehalt geben." Allerdings habe die ÖVP auch deshalb auf die 12-Monats-Regelung gepocht, "weil es sonst noch teurer geworden wäre". Pröll fordert Hundstorfer zu einer raschen Einigung mit den Ländern auf.
Und genau hier liegt ein weiterer großkoalitionärer Konfliktpunkt: Während sich Hundstorfer vorstellen kann, dass die Regelung auch ohne die Zustimmung Kärntens - das südlichste Bundesland verweigert als einziges sein Placet - in Kraft treten kann, verweist Pröll auf den Ministerratsvortrag. Darin sei zu lesen, dass Kärnten eingebunden werden soll - "und daran hat man sich zu halten", sagte er. Kärnten wehrt sich jedenfalls weiter gegen "Gleichmacherei aus dem Bund", so Sozialreferent Siegfried Jost. Das Kärntner Modell würde zum Beispiel Familien besser stellen, als jenes des Bundes. Hundstorfer betonte dazu, dass es jedem Land unbenommen sei, mehr zu leisten.
Klarheit gibt es mittlerweile, was die Kosten betrifft: Diese betragen laut Hundstorfer jährlich 50 Millionen Euro für die Länder und 120 Millionen für den Bund. Das Geld soll zunächst einmal aus dem laufenden Budget des Sozialministeriums kommen, bei den nächsten Budget-Verhandlungen werde man dann weiter sehen, so Pröll.
Kritik aus Ländern, Lob von Arbeiterkammer
Aus den Ländern hagelte es am Dienstag Kritik. So sagte der steirische SPÖ-Soziallandesrat Kurt Flecker, die Verzögerung sei noch in Kauf zu nehmen, die Kürzung stoße aber auf "völlige Ablehnung". Er kündigte eine Sitzung der Sozialreferentenkonferenz Anfang September an. Heftige Kritik übten auch Gewerkschaft, Sozialistische Jugend, Grüne und Nichtregierungsorganisationen. Die Arbeiterkammer begrüßte dagegen den konkreten Einführungstermin.
Von einem konkreten Termin weit entfernt ist man nach wie vor in Sachen Gesundheitsreform. Wie auch beim Kindergeld konnte hier im Ministerrat keine Einigung erzielt werden. Für Gesundheitsminister Alois Stöger sind die Hindernisse lediglich "atmosphärischer" Natur, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner fordert indes "verbindliche konkrete Ziele".
Wissen: Mindestsicherung
Die Eckpunkte der geplanten Neuregelung der Sozialhilfe im Detail:
* In-Kraft-Treten mit 1. September 2010.
* Kosten 170 Millionen Euro jährlich: Länder 50 Millionen, Bund 120.
* Einheitliche Auszahlung in Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes (derzeit bei 772,40 Euro brutto monatlich für Alleinstehende und 1158,08 Euro brutto für Paare), zwölf Mal pro Jahr.
* Beantragung beim Arbeitsmarktservice (AMS) nach dem "One-Stop-Shop"-Prinzip.
* Sozialversicherung für alle Bezieher über die E-Card.
* Gelockerte Regress-Bestimmungen: Wer wieder eine Arbeit annimmt, muss erhaltene Leistungen nicht zurückzahlen; der Rückgriff auf das Vermögen der Angehörigen wird bis auf einige Ausnahmen abgeschafft.
* Arbeitswilligkeit als Voraussetzung.