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Mindestsicherung: Anreiz für Aufstocker?

Von Karl Ettinger

Politik

Koalition berät Wegfall des Vermögenszugriffs für einen Teil der Sozialgeldbezieher. Es geht um rund ein Drittel aller Fälle.


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Wien. ÖVP und FPÖ arbeiten mit Hochdruck am Gesetzesentwurf für einen österreichweit einheitlichen Rahmen für die Mindestsicherung. Erklärtes Ziel sind dabei Beschränkungen für Ausländer und anerkannte Flüchtlinge. In Diskussion ist aber gleichzeitig eine Erleichterung für tausende sogenannte "Aufstocker". Das sind Bezieher, bei denen ein geringes Erwerbseinkommen oder Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe mit einem Ergänzungsbetrag der Mindestsicherung auf 863 Euro oder 1264 Euro bei Ehepaaren oder Lebensgemeinschaften im Monat aufgestockt wird.

Nach einem FPÖ-Vorstoß wird debattiert, dass für Aufstocker beim Bezug der Mindestsicherung nicht mehr auf Vermögen (Erspartes bis rund 4300 Euro, Auto, Eigenheim) zugegriffen wird. Allerdings ist das nicht entschieden. Vor allem ist im Detail unklar, bei welcher Gruppe der Aufstocker auf den Vermögenszugriff künftig verzichtet wird.

Klar ist die Absicht dahinter: Es handelt sich um Personen, die arbeiten, aber wenig verdienen, oder gearbeitet haben und in das Sozialversicherungssystem eingezahlt haben. Für diese soll ein zusätzlicher Arbeitsanreiz geschaffen werden, damit sie arbeiten gehen, ohne dass sie zuerst ihr Vermögen bis auf 4300 Euro aufbrauchen müssen, wie das derzeit auch bei Aufstockern der Fall ist.

Den kleineren Anteil der Aufstocker der Mindestsicherung bilden Personen, die zugleich einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Im Jahresdurchschnitt bezogen 2017 laut Arbeiterkammer 239.000 Menschen Mindestsicherung. Lediglich 8,4 Prozent bezogen diese zusätzlich zu einem Job (Teilzeit, geringfügige Beschäftigung). In Wien bezogen heuer im September 8000 Personen von 127.000 Beziehern der Mindestsicherung ein Erwerbseinkommen.

Deutlich größer ist der Anteil jener, bei denen eine Leistung des Arbeitsmarktservice (Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe) mit der Mindestsicherung auf 863 Euro aufgestockt wird. Im Jahresschnitt erhielten im Vorjahr laut Arbeiterkammer 22,5 Prozent der Mindestsicherungsbezieher das Sozialgeld als Ergänzung zu Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Mit Erwerbseinkommen zusammengerechnet geht es also um rund 30 Prozent oder fast ein Drittel der Mindestsicherungsbezieher. Weitere rund 20 Prozent erhielten Mindestsicherung, um ein sonstiges anrechenbares Einkommen aufzustocken, etwa eine Unterhaltszahlung.

Zahlen des AMS aus dem heurigen Jahr und der Stadt Wien zeigen, dass der Bezug der Mindestsicherung zur Notstandshilfe wesentlich häufiger der Fall ist. Bei bundesweit rund 308.000 beschäftigungslos Gemeldeten erhielten 151.416 Arbeitslosengeld. Davon waren nur 3795 mit Mindestsicherung. Bei der Notstandshilfe waren es 26.431 von 157.232. In Wien stockten im September 2384 das Arbeitslosengeld mit einer Mindestsicherung auf, 18.390 die Notstandshilfe.

Vermögenszugriff als Schlüsselfrage

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Mindestsicherung und Notstandshilfe besteht darin: Bei der Mindestsicherung handelt es sich derzeit um eine Sozialleistung mit Vermögenszugriff, bei der Notstandshilfe um eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung ohne Vermögenszugriff. Ein Nachteil der Mindestsicherung besteht auch darin, dass die Zeit des Bezugs im Gegensatz zu Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe nicht auf die Pension angerechnet wird. Unklar ist hingegen, inwieweit der Vermögenszugriff bisher tatsächlich von der Beantragung einer Mindestsicherung abschreckt.

Warum sorgt eine etwaige Abschaffung der Notstandshilfe 2019 für so große Aufregung? Schließlich ist von FPÖ-Seite zuletzt versichert worden, die Notstandshilfe bleibe als Versicherungsleistung erhalten. Der Hauptgrund ist, weil es derzeit bei der Notstandshilfe im Gegensatz zur Mindestsicherung eben keinen Vermögenszugriff gibt. Von der Frage betroffen sind zumindest mehr als 150.000 Bezieher einer Notstandstandshilfe. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat zu beruhigen versucht und betont, bei Beziehern von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe werde es "keinen Zugriff" auf Auto, Vermögen oder Eigenheim geben. Der Haken dabei: Das ist in der Regierung bisher offiziell nicht fixiert.