Die neuesten Daten zeigen auch, dass knapp mehr als die Hälfte der Personen mit Mindestsicherung Frauen waren.
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Es sind Daten, die mit Spannung erwartet wurden, weil sie politischen Zündstoff enthalten. Die Statistik Austria hat die Informationen zu den Menschen, die in Österreich 2018 Mindestsicherung bezogen, von den Bundesländern eingesammelt und ausgewertet. Es zeigt sich, dass im vergangenen Jahr mit 289.646 um 5,9 Prozent weniger Personen auf diese sozialstaatliche Leistung angewiesen waren.
Der Zündstoff bestand in türkis-blauen Regierungszeiten aber vor allem im Anteil der Personen mit Flüchtlingsstatus: Konkret sind es 2018 35 Prozent gewesen, die entweder asylberechtigt oder subsidiär schutzberechtigt waren, im Jahr davor waren es 31 Prozent. Die gesetzlichen Änderungen bei der Mindestsicherung, künftigen Sozialhilfe sind hier noch nicht sichtbar, ein großer "Anreiz", das oft bemühte Argument für Systemänderung, aber ebenfalls nicht.
Sozialen Zündstoff haben aber auch andere Daten: Denn 51 Prozent jener, die im vergangenen Jahr in einem Haushalt mit Mindestsicherung lebten, sind weiblich, 36 Prozent Kinder. 92 Prozent waren nicht erwerbstätig: Allerdings konnten nur 36 Prozent auf Arbeitssuche sein. Fast zwei Drittel jener mit Mindestsicherung waren entweder bereits in Pension oder noch im Kleinkind- oder Pflichtschulalter, in Ausbildung, hatten Kinderbetreuungs- oder Pflegeverpflichtungen oder waren überhaupt arbeitsunfähig.
Mehr als jeder Dritte mit Mindestsicherung ist ein Kind
36 Prozent, also mehr als ein Drittel, sind Kinder. Die 64 Prozent Erwachsenen verteilen sich auf 34 Prozent Frauen und 30 Prozent Männer. 80 Prozent der Kinder wurden im Rahmen der Mindestsicherung unterstützt, 20 Prozent lebten zwar in Bedarfsgemeinschaften mit Mindestsicherungsbezug, erhielten aber keine Hilfe aus diesem System - zum Beispiel, weil die Kinder vom anderen Elternteil Unterhalt erhielten.
Vertreter der Armutskonferenz orten deshalb einen "Chancentod" für Kinder. Die Benachteiligung habe negative Auswirkungen auf Zukunftschancen, Bildung und Gesundheit: "Unser Ziel muss sein, Existenz und Chancen zu sichern, nicht Leute weiter in den Abgrund zu treiben", stellt man sich vonseiten des Netzwerks einmal mehr gegen Kürzungen im Rahmen der Umstellung auf die sogenannte Sozialhilfe neu. Die Statistik zeigt, dass die Leistung im Vergleich zum Jahr davor angestiegen ist. 2017 erhielt jede Bedarfsgemeinschaft im Jahresdurchschnitt 607 Euro monatlich, 2018 waren es 638 Euro.
Insgesamt gab der Staat 2018 über das Mindestsicherungssystem 941 Millionen Euro für den Lebensunterhalt, Wohnen und Krankenhilfe aus. Das sind um 3,7 Prozent weniger als im Jahr davor. Gemessen an den 109 Milliarden Euro, die in Österreich an Sozialleistungen wie zum Beispiel Pensionen, Familien- oder Arbeitslosenleistungen ausbezahlt wurden, machte die Mindestsicherung im vergangenen Jahr 0,8 Prozent der Sozialausgaben in Österreich aus.
Die Wahl, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, fehlt vielen
Im vergangenen Jahr gingen acht Prozent der Mindestsicherungsbeziehenden einer bezahlten Arbeit nach, allerdings standen auch nur 36 Prozent aller Personen, die in einem Haushalt mit Mindestsicherungsbezug lebten, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung - waren also beim Arbeitsmarktservice arbeitssuchend gemeldet.
Der größere Teil, also 64 Prozent, konnte nicht arbeiten. Es sind ebenfalls 36 Prozent, die entweder zu jung zum Arbeiten, also noch im Klein- oder Schulkindalter, oder zu alt, also bereits in Pension, waren. Ein Teil war noch in einer Ausbildung, ein anderer überhaupt arbeitsunfähig beispielsweise wegen einer Behinderung. Wieder andere konnten keiner Erwerbsarbeit nachkommen, wegen Kinderbetreuungs- oder Pflegeverpflichtungen.
Eine große Gruppe an Haushalten mit Mindestsicherung erhält auch nur einen Teil ihres Geldes aus diesem Topf: 70 Prozent waren sogenannte "Aufstocker". Das heißt, dass man im vergangenen Jahr entweder selbst ein so geringes Arbeitseinkommen oder Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung hatte, dass diese aufgestockt werden mussten, damit sich der Haushalt den Lebensunterhalt leisten konnte. Unter den Aufstockern sind auch Menschen, wo andere Personen im Haushalt ein - geringes - anrechenbares Einkommen hatten, wie zum Beispiel Unterhaltszahlungen.
Bei der Armutskonferenz spricht man von den neuen "Working Poor", die sogenannte "Richtsatzergänzungen erhalten, um zu überleben". Die Gründe für den hohen Anteil an Aufstockern seien prekäre Jobs, die in Folge auch zu Arbeitslosengeld- und Notstandshilfeleistungen führen, die nicht ausreichen, um die Existenz abzusichern. Auch psychische Erkrankungen oder Menschen mit hohen Lebenshaltungskosten beim Wohnen sind unter den Aufstockern.