Keine Kürzungen oder Deckelungen bei neuer Wiener Mindestsicherung, aber strengere Kriterien als Voraussetzung.
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Wien. Eines war am Dienstag bei der Präsentation der neuen Wiener Mindestsicherung der Stadtregierung auf jeden Fall klar: Gekürzt wird nicht. "Wir wollen Armut bekämpfen", betonte Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ). "Wir machen da nicht mit", wies Vizebürgermeister Maria Vassilakou (Grüne) auf Politiker hin, die von Kürzungen sprechen. "Wir wollen die Menschen in den Arbeitsmarkt lieber integrieren. Das bringt mehr als Kürzungen", sagte Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). Doch so einfach ist es trotzdem nicht. Das musste selbst das soziale Wien in der vergangenen Zeit erfahren. Die Mindestsicherungsbezieher schnellten nicht zuletzt aufgrund der Flüchtlingskrise in die Höhe. Darüber hinaus war vielen klar, dass bei einem Bezug von 837,76 Euro monatlich wohl kaum Arbeit mit einem geringeren Lohn angenommen wird. Am Ende bleiben es immer rund 800 Euro, egal, ob man arbeitet oder nicht, weil immer nur die Differenz ausgezahlt wird. Weiters hat der Rechnungshof Kritik an der Stadt geübt: Die Antragsteller seien nicht ausreichend überprüft worden. Bei vielen Anträgen würden Angaben fehlen, sprich die Beträge seien ausbezahlt worden, ohne die Antragsteller genau zu überprüfen. Und zu guter Letzt hatten sich die Länder nicht mehr auf eine gemeinsame Mindestsicherung einigen können. Was die Stadt Wien sehr bedauere, wie alle Beteiligen sagten. Die ÖVP habe diese gemeinsame Basis zerstört, hieß es.
Mehr Geld bei Kursbesuch
Punktum: Rot-Grün reagiert mit einer Mindestsicherung Neu, die darauf abzielt, die Mindestsicherungsbezieher schnellstmöglichst in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dafür sind laut Grünen-Sozialsprecherin Birgit Hebein mehr als 6700 Maßnahmen erarbeitet worden. Diese beginnen bei den Jugendlichen. Die jungen Mindestsicherungsbezieher zwischen 18 und 25 Jahren sind deutlich gestiegen. Die Stadt will versuchen, jeden dieser Bezieher in Ausbildung, in Schulung oder Beschäftigung zu geben. An diese Bereitschaft ist die neue Mindestsicherung geknüpft. Befindet sich etwa ein 21-Jähriger nicht in Ausbildung oder Beschäftigung, bekommt er nur noch 50 Prozent der Mindestsicherung.
Auch beim Wohnen wird es strenger: Bisher bekommen über 21-Jährige den vollen Richtsatz von 837,76 Euro, obwohl sie noch im Haushalt der Eltern leben. Mit dem neuen Gesetz sollen diese nur noch 75 Prozent erhalten. In Zukunft will die MA40 (Magistratsabteilung für Soziales), die die Mindestsicherung ausbezahlt, besser mit dem Arbeitsmarktservice AMS zusammenarbeiten und die Bezieher verstärkt in Beschäftigungsprojekte einbeziehen. Auch die Sozialarbeit soll künftig ausgebaut werden.
Dauerleistungsbezieher, wie etwa chronisch Kranke, erhalten zukünftig Zugang zur Rehabilitation. In diesem Zeitraum erhalten sie nur 12 Mal pro Jahr statt wie bisher 14 Mal Mindestsicherung. Der 13. und 14. Bezug wird künftig als Sachleistung abgedeckt. Alle weiteren Dauerleistungsbezieher erhalten weiterhin 14 Mal Mindestsicherung.
Mehr Geld bei Beschäftigung
An die neue Wiener Mindestsicherung soll in Zukunft ein Beschäftigungsbonus gekoppelt werden. Das heißt, dass das Urlaubsgeld als Ersparnis übrig bleibt. Hebein erklärt dies anhand einer Alleinerzieherin. Diese gehe um 400 Euro im Monat arbeiten. Die Differenz auf den Mindestsicherungsdeckel wird ihr ausbezahlt. In Zukunft soll aber das 13. und 14. Gehalt herausgerechnet werden - "das bleibt ihr übrig" - und dann erst wird die Differenz ausbezahlt. "Das sind für die Alleinerzieherin 800 Euro mehr im Jahr", so Hebein. Das bedeute natürlich auch, dass mehr Mindestsicherung ausbezahlt werde, aber langfristig sei dies der richtige Weg.
In Zukunft weniger Bezieher
Wie hoch die Kosten für diese Maßnahmen sind, sei schwer zu sagen, so Hebein. Die WGKK, das Sozialministerium, auch die EU würden "mitzahlen". 2016 bekamen 194.875 Mindestsicherungsbezieher rund 659,2 Millionen Euro. Langfristig sollen die Kosten aber gedämpft werden, indem die Bezieher in die Beschäftigung gehen. "Klar ist, dieses Paket ist kein Sparpaket", betonte Frauenberger. "Jede Reform kostet Geld", sagte Hebein. Die Ziele könne man aber bereits klar benennen: Bis zum Jahr 2020 sollen rund 10.000 junge Mindestsicherungsbezieher den Ausstieg geschafft haben. Zudem soll die Anzahl der Vollbezieher bis 2025 um 20 Prozent gesenkt werden. Das neue Gesetz soll im Herbst beschlossen werden und Anfang 2018 in Kraft treten.
Die Wiener Regierung schließt sich damit nicht den Nachbarbundesländern Niederösterreich und Burgenland an, die beide etwa eine Wartefrist und eine Deckelung eingeführt haben. Maximal 1500 Euro können bezogen werden und erst nach fünf Jahren hat man Anspruch auf die gesamte Höhe der Mindestsicherung.
Lob für die nun präsentierte Lösung gab es am Dienstag auch von Caritas und Volkshilfe. Wien setze Schritte, um die Mindestsicherung zukunftstauglich auszugestalten, befand etwa Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner - wobei er gleichzeitig das Aus für Sonderzahlungen bei Dauerleistungsbeziehern kritisch sah.
ÖVP und FPÖ beklagten hingegen, dass keine Kürzungen vorgenommen werden. Der blaue Vizebürgermeister Johann Gudenus bezeichnete das Modell schlicht als "Witz": "Wien bleibt also weiterhin der Magnet für illegale Zuwanderer, die hier die volle Summe und damit die höchsten Sozialleistungen Österreichs ausbezahlt bekommen, ohne selbst jemals etwas in das System eingezahlt zu haben." Für Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel betreibt Rot-Grün mit "oberflächlicher Kosmetik" lediglich eine Problemverschärfung, wie er in einer Aussendung befand.
Keine Wartefrist für Wien
Die Neos kritisierten, dass keine Wartefrist für Asylberechtigte aus den Bundesländern vorgesehen sei. Bei der heutigen Präsentation wurde erläutert, warum man sich dagegen entschieden hat: Laut Stadt kämen viele auch wegen der hier vorhandenen Communities nach Wien - und nicht nur wegen höherer Mindestsicherung. Daran würde auch eine Wartefrist wenig ändern, hieß es.
Mit dem neuen Gesetz müssten die Bezieher der Wiener Mindestsicherung auf jeden Fall an Maßnahmen mitwirken. Auch Sanktionen sollen generell zeitnaher und intensiver erfolgen, hieß es.