Entscheidung über neue Hilfen am 3. Juli. | Zeitfenster schließt sich MItte Juli, danach droht die Staatspleite. | Sind auch Italien, Belgien oder sogar Frankreich in Gefahr?
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Luxemburg. Der Zeitplan für die neuerliche Rettung Griechenlands gerät zusehends durcheinander. Spätestens Mitte Juli braucht Athen aus dem laufenden Rettungsprogramm über 110 Milliarden Euro eine neue Tranche von zwölf Milliarden Euro. Würde diese nicht ausbezahlt, könnten die Griechen fällige Schuldenrückzahlungen nicht mehr bedienen - das Euroland wäre pleite, die Folgen für die europäische Finanzwelt wegen der unkontrollierten Zahlungsausfälle verheerend.
Die Entscheidung ist mit jener für ein zweites Griechenland-Hilfspaket über rund 120 Milliarden Euro bis Ende 2014 verknüpft, welches nötig geworden war, weil die Griechen nicht wie geplant schon 2012 an die Finanzmärkte zurückkehren können. Zudem sind die Euroländer wegen ausständiger griechischer Parlamentsbeschlüsse nur eingeschränkt handlungsfähig, Eurokurs und Märkte gaben nach (siehe Artikel unten).
So blieb den Euro-Finanzminister bei ihrem Treffen am Montag nur zu versichern, dass alle benötigten Hilfen für Griechenland fließen sollen, wenn der Mittelmeerstaat die Bedingungen dafür erfüllt. Erstmals wurde in den Beschlüssen schwarz auf weiß festgehalten, dass auch der Privatsektor (die Banken) bei künftigen Rettungsaktionen beteiligt werden soll - und zwar "in Form einer informellen freiwilligen Verlängerung (,Roll-Over) der bestehenden griechischen Schulden bei Fälligkeit."
"Schmaler Grat"
In der Praxis ist damit wohl der Tausch der auslaufenden Anleihen gegen neue Schuldverschreibungen gemeint. Wie das technisch funktionieren soll, ohne dass die Ratingagenturen die griechischen Papiere auf D wie "Default" (Ausfall) hinunterstufen, ist noch offen. Es handle sich um einen "schmalen Grat", erläuterte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. "Darüber müssen wir mit den beteiligten Institutionen reden. Auf der einen Seite muss es freiwillig sein, weil es sonst die entsprechenden Folgen hat. Auf der anderen Seite muss es aber auch zu einem Ergebnis führen."
Laut früher kolportierten Konzepten aus Berlin sollten in den nächsten Jahren fällige Schulden über bis zu 30 Milliarden Euro gestundet werden. Durch die vorläufige Sperre der Zwölf-Milliarden-Tranche wird der Druck auf Griechenland erhöht, denn der Ball liegt in Athen: Der neue griechische Finanzminister Evangelos Venizelos will das bereits vereinbarte Spar- und Privatisierungspaket wegen des massiven Widerstands an der Heimatfront offenbar noch abschwächen. Die neue Regierung von Premierminister Giorgos Papandreou soll erst heute, Dienstag, Abend im Amt bestätigt werden. Ein Expertenteam von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) soll noch diese Woche Möglichkeiten für leicht modifizierte Vorgaben für die Griechen abklopfen. Über das endgültige - und womöglich leicht entschärfte - Reformprogramm würde dann am 28. Juni im griechischen Parlament abgestimmt, also erst nach dem EU-Gipfel Ende der Woche.
Sondertreffen im Juli
Ohne diese Entscheidung könne die Eurozone keine weiteren Mittel freigeben. Das machten Schäuble und die österreichische Finanzministerin Maria Fekter klar. Auch die Staats- und Regierungschefs können daher wohl nicht über die Erklärung der Minister hinausgehen. Die neuen Regierungsbeschlüsse der Griechen müssten zuvor bewertet werden, meinte die Österreicherin, "uns läuft sukzessive die Zeit davon." Damit die Zwölf-Milliarden-Tranche und das neue Hilfspaket beim nächsten regulären Treffen der Finanzminister am 11. Juli verabschiedet werden können, ist ein Sondertreffen der Eurozone geplant - als wahrscheinlicher Termin gilt der 3. Juli.
Massive Einsparungen
Gemeinsam müssen die beiden Entscheidungen getroffen werden, weil der IWF laut seinem Statut nur dann weiter Notkredite auszahlen darf, wenn der Schuldner für mindestens zwölf Monate in der Lage ist, seine Rückzahlungen zu bedienen. Dafür soll das neue Rettungspaket bis Ende 2014 garantieren. Zwar hatte es vorab geheißen, dass der IWF sich für die Auszahlung seines Anteils schon mit einer politischen Absichtserklärung der Eurozone zufrieden geben würde. Weil diese aber nur unter der Bedingung noch offener griechischer Gegenleistungen gegeben werden konnte, reichte sie noch nicht aus.
Eckpunkte des Reformprogramms sind Privatisierungen im Umfang von 50 Milliarden Euro und zusätzliche Einnahmen von rund 28 Milliarden Euro durch Steuererhöhungen und Verwaltungseinsparungen inklusive drastischem Postenabbau im öffentlichen Dienst. Um den Griechen zu helfen, sollen ihnen Experten aus Euroländern unter die Arme greifen; darunter auch vom österreichischen Finanzministerium und der ÖIAG. Voraussetzung für die Umsetzung der Reformen ist aber ein Schulterschluss der sozialistischen griechischen Regierung mit der bisher nicht kooperativen konservativen Opposition.
Für einige Verunsicherung hatten im Vorfeld des Eurozonentreffens Interviews des Luxemburger Premiers und Eurogruppenchefs Jean-Claude Juncker sowie des belgischen Finanzministers Didier Reynders gesorgt. Juncker warnte unverblümt, dass die Beteiligung privater Gläubiger an künftigen Finanzhilfen eine Abstufung des Landes auf "zahlungsunfähig" zur Folge haben könnte. Diese "Pleite kann Portugal anstecken und Irland und dann wegen der hohen Schulden auch Belgien und Italien, noch vor Spanien", meinte er. Vergangenen Freitag hatte schon die Ratingagentur Moody’s mit der Abstufung Italiens wegen der trüben Wirtschaftsaussichten und mittelfristig steigenden Zinsen gedroht.
Droht Kettenreaktion?
Noch weiter ging Reynders: "Wenn Griechenland als erstes Land zahlungsunfähig wird, werden sich die Blicke auf andere Länder wie Irland, Portugal, Spanien, Italien und vielleicht auch Belgien und Frankreich richten", sagte er. Frankreich gehört wie Deutschland und Österreich zu jenen sechs Euroländern, die bei allen Ratingagenturen höchste Bonität genießen.