Breite Front für mehr Forschungsetat und gegen Filetierung des Ministeriums.
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Wien. Die Gerüchte laufen seit mehr als einer Woche, die Reaktionen darauf aus den betroffenen Kreisen - vor allem aus den Universitäten - werden immer lauter. Kolportiert wird eine Auflösung des Wissenschaftsministeriums, dessen Agenden sollen an andere Ressorts fallen und die Forschung angeblich an ein "Zukunftsministerium", das der Jungstar der ÖVP Sebastian Kurz, bisher Staatssekretär für Integration und "Vorzugstimmenkaiser" bei der jüngsten Nationalratswahl, führen soll.
Hannes Androsch, Vorsitzender des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, hält davon wenig: "Ein solches Kompetenzragout wäre noch weniger sinnvoll als (wie derzeit, Anm.) Wirtschaft, Jugend und Familie in ein Ressort zu geben", sagte er zur "Wiener Zeitung".
Das Ministerium für Wissenschaft und Forschung geht auf Bruno Kreiskys erste Regierung 1970 zurück, der Androsch als Finanzminister angehörte. Es war aber von 1994 bis 2007 nicht eigenständig, sondern mit den Bereichen Kunst, Verkehr oder Unterricht verbunden. Zu einer von vielen bereits geforderten Bündelung aller Wissenschafts- und Forschungsagenden in einem Haus kam es aber auch 2007 nicht, bis zuletzt ressortierte ein Teil dieser Agenden zum Infrastruktur- oder Wirtschaftsministerium.
Mehr Geld für Unis gefordert
Weiter ein eigenständiges Ministerium und mehr Mittel für die Universitäten und den Wissenschaftsfonds FWF forderten am Dienstag die Vorsitzenden der Universitätsräte Österreichs in einer Aussendung. Konkret verlangen sie einen Stufenplan für eine Steigerung der Hochschulausgaben auf zwei Prozent (derzeit 1,43 Prozent) des BIP bis 2020, wie sie bereits 2009 einstimmig im Nationalrat beschlossen worden ist.
Ähnliche Aussagen kamen am Dienstag von einer Klausur der Universitätenkonferenz, deren Präsident Heinrich Schmidinger befürchtet, dass die Schulagenden derzeit die Probleme des tertiären Bildungssektors überlagern und dieser "am Ende des Tages als Verhandlungsmasse auf dem Basar betrachtet wird".
Die Gerüchte über eine Aufteilung des Wissenschaftsministeriums waren am vorigen Wochenende auch Gesprächsthema beim Österreichischen Wissenschaftstag auf dem Semmering, den die Österreichische Forschungsgemeinschaft (ÖFG) organisierte. Dort sagte Schmidinger der "Wiener Zeitung": "Ich kann diese Gerüchte nicht wirklich nachvollziehen, sie bestürzen mich trotzdem. Vor allem deshalb, weil vor der Wahl alle davon ausgegangen sind, dass in der kommenden Legislaturperiode der ganze Bereich Wissenschaft und Forschung weiter gestärkt werden muss, auch das Wissenschaftsressort. Es muss gestärkt und nicht etwa aufgeteilt oder einem anderen Bereich untergeordnet werden. Ich würde beides als kontraproduktiv betrachten, als Schritt in die entgegengesetzte Richtung."
Administrative Hürden
Käme im Rahmen einer Aufteilung die angewandte Forschung in ein wirtschafts- oder infrastrukturnahes Ministerium, die Grundlagenforschung aber in ein anderes, ortet Schmidinger ein spezielles Problem für die Universitäten: "Unsere Aufgabe ist ja gerade die, die Verbindung zwischen angewandter Forschung und Grundlagenforschung zu betreiben. Das muss sich gegenseitig ergänzen. Wenn man das trennen will, widerspricht das in meinen Augen dem Wesen von Wissenschaften, wie sie an den Universitäten betrieben werden."
Dazu kämen administrative Hürden: "Momentan arbeiten wir an den Universitäten mit Leistungsvereinbarungen, die wir mit dem Bund abschließen. Sollte man uns aufteilen, frage ich: Wie werden in Zukunft die Leistungsvereinbarungen ausschauen? Wie wird sich die Finanzierung der Universitäten gestalten?"
Die neue ÖFG-Präsidentin Katharina Cortolezis-Schlager trat gegenüber der "Wiener Zeitung" "ganz entschieden" gegen eine Aufteilung des Wissenschaftsministeriums und für einen Verbleib von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle ein, der sich gut eingearbeitet habe: "Wir haben jetzt in einer Legislaturperiode drei verschiedene Minister gehabt (Anm.: Johannes Hahn, Beatrix Karl, Karlheinz Töchterle), so rasche personelle Wechsel in einem der wichtigsten Felder, die die Zukunft Österreichs betreffen, halte ich nicht für gut. Es ist wichtig, hier Kontinuität herzustellen."
Gemäß seiner nationalen Forschungsstrategie will Österreich bis 2020 eine Forschungsquote von mindestens 3,76 Prozent erreichen. Eine starke Grundlagenforschung gilt als Voraussetzung, um zu den Spitzen-Forschungsnationen aufzusteigen. Ein Teil der Grundlagenforschung wird von den Universitäten durchgeführt, ein anderer Teil in Projekten, die von Förderagenturen wie dem Wissenschaftsfonds FWF finanziert werden. Diese beiden Bereiche auseinanderzureißen ergebe "überhaupt keinen Sinn", eine Filetierung des Wissenschaftsministeriums wäre "Anlass zur Resignation. So werden wir nicht weiterkommen", betonte Androsch.
Fischer für Eigenständigkeit
Cortolezis-Schlager spricht sich klar für die Ziele von mindestens zwei Prozent (tertiärer Sektor) und 3,76 Prozent (Forschung und Entwicklung) aus: "Diese Ziele sind unbedingt einzuhalten. Die sind nicht aus irgendeiner visionären Utopie entstanden, sondern haben stark mit der Zukunftsfähigkeit dieses Landes und künftigen Arbeitsplätzen zu tun."
Für FWF-Präsidentin Pascale Ehrenfreund sind Wissenschaft und Forschung "für jede neue Regierung Themen, die mit angemessener Priorität behandelt werden müssen". Sie schließt sich der Haltung des Staatsoberhaupts, auf die auch Schmidinger und Cortolezis verweisen, an: "Bundespräsident Heinz Fischer plädierte in einem Zeitungsinterview für die Beibehaltung eines eigenständigen Ressorts für Wissenschaft und Forschung und argumentiert mit dem damit zum Ausdruck gebrachten Stellenwert des Themas. Das hat Gewicht."
Von Anton Zeilinger, dem Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, war keine Stellungnahme zu bekommen.