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Minsk erhält russischen Kredit - muss aber Staatsbetriebe versilbern

Von Gerhard Lechner

Wirtschaft

Währungskrise und Defizit in der Handelsbilanz. | Austro-Firmen auch von Abwertung des Rubel betroffen. | Minsk/Wien. Während Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko gegen die Opposition im Land weiter unbeirrt einen harten Kurs verfolgt, gerät sein Regime wirtschaftlich immer stärker unter Druck: Nach der Abwertung des weißrussischen Rubels um mehr als 50 Prozent werden massive Preissteigerungen erwartet. Hamsterkäufe - besonders von langlebigen Haushaltsgeräten wie Kühlschränken und Waschmaschinen, aber auch von Lebensmitteln wie Salz - nehmen zu, vor den Tankstellen bilden sich lange Schlangen. Ungeachtet der immensen Inflation - für einen Euro erhielt man im April noch rund 4000 Rubel, jetzt bereits 9000 - steigen die Löhne nicht.


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Als Retter in der Not erweist sich wieder einmal der große Bruder Russland: Laut dem russischen Finanzminister Alexej Kudrin sind die Finanzierungsbedingungen für einen Drei-Milliarden-Dollar-Kredit bereits ausverhandelt, den Minsk von der russisch dominierten "Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft" (EAWG) erhalten soll. Für den 4. Juni wird die formelle Zusage erwartet. Die ersten 1,24 Milliarden Dollar sollen noch in diesem Jahr nach Weißrussland fließen, dessen Wirtschaft sich immer noch zu rund 95 Prozent in Staatseigentum befindet.

Freilich nicht ohne Gegenleistung: In den nächsten drei Jahren soll Minsk Staatsvermögen von mehr als 7,5 Milliarden Dollar privatisieren, teilte Kudrin mit. Dass dabei vor allem russische Investoren zum Zug kommen werden, ist zu erwarten. Neben den gut funktionierenden petrochemischen Betrieben des Landes richtet sich der Blick auch auf das weißrussische Pipelinenetz. Gingen diese Schlüsselbereiche in russisches Eigentum über, würde Weißrussland sich auch politisch in noch stärkere Abhängigkeit zum großen Bruder begeben.

Das Land steckt seit Anfang April in einer schweren Währungskrise und leidet unter einem großen Handelsbilanzdefizit. Um dem Herr zu werden, denkt Weißrussland offenbar zunehmend auch über Verzweiflungsmaßnahmen nach: Die russische Zeitung "Moskowskije Nowosti" schrieb, Minsk plane Importbeschränkungen. Eine Liste mit Importeuren sei bereits erstellt worden. Wirtschaftsminister Andrej Tur dementierte jedoch.

Die Abwertung des weißrussischen Rubels am Montag traf auch österreichische Unternehmen, etwa die Telekom Austria. Ihr drohen wegen der Abwertung Millionenabschreibungen bei ihrer weißrussischen Tochter Velcom.