Ganz ohne Seitenhiebe auf die gescheiterte Orange Revolution ging es auch in Moskau nicht: "Von Null auf" müsse beim russisch-ukrainischen Verhältnis begonnen werden, ließ der neue ukrainische Premierminister Mykola Asarow bei seinem Antrittsbesuch in Moskau verlauten: "Wir schlagen vor, zu vergessen, was sich in den letzten fünf Jahren getan hat".
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Russlands Premier Wladimir Putin wird die schönen Worte zwar gerne gehört haben - im für die Ukraine so wichtigen Punkt, dem Gaspreis, gab er aber (noch) nicht nach. Das Abkommen, das Putin im vergangenen Jahr mit Asarows Vorgängerin Julia Timoschenko vereinbart hatte, funktioniere, sagte der russische Premier. Putins Beharrlichkeit auf einer für den Kreml recht günstigen Lösung liegt nicht nur am wirtschaftlichen Vorteil. Obwohl der neue ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch als russlandfreundlich gilt, haben einige Schritte des neuen Mannes in Kiew - der schnelle Brüssel-Besuch, das Drängen auf einen niedrigeren Gaspreis - in Russlands Elite eine Art Deja-Vu-Erlebnis ausgelöst: Einen "zweiten Lukaschenko" habe man nun am Hals, wird gemutmaßt. Der weißrussische Autokrat nervt Moskau schon seit Jahren mit seiner Eigensinnigkeit: Mit einer "Multivektor-Außenpolitik" sucht sich Lukaschenko demonstrativ Unterstützung von anderswo, um die strukturelle Abhängigkeit Minsks von Moskau ein wenig abzuschwächen. So hatte er sich erst kürzlich Öl von seinem Freund Hugo Chavez aus Venezuela gesichert, und am Donnerstag griff China, dessen Modell einer autoritären Modernisierung Lukaschenko nacheifert, Minsk mit Wirtschaftsverträgen und einem Kredit über 4,4 Milliarden US-Dollar unter die Arme. Von Russland kam zuvor eine Weigerung für einen neuerlichen Kredit wegen fehlender Sicherheiten. Dazu fand auch der russisch-weißrussische Ölstreit diese Woche seine Fortsetzung: Minsk reichte beim Gericht der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Klage gegen Russland ein.
Dass Lukaschenko dennoch einer der verlässlichsten Verbündeten Moskaus ist, verdeutlicht nur den Umstand, dass die in letzter Zeit wieder intensiver betriebenen Integrationsprojekte des Kreml ohne Zwang nur schwer zu realisieren sind. Ob in der "Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft", der GUS oder in anderen Strukturen: Meist bleibt nur Kasachstan als einziger Staat, der wirklich mitmachen will. Das liegt zumeist nicht an Unterschieden der Staaten in den Bereichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, als in der Geographie: Ein Staat wie die Ukraine etwa wäre innerhalb der Europäischen Union ein - noch dazu großer - Mitspieler; in einer Union mit dem Riesen Russland bleibt Kiew - und Minsk erst recht - nur die Rolle als Appendix.