Zum Hauptinhalt springen

"Mir wern kan Richter brauchen"

Von Herbert Hutar

Wirtschaft
"Du machst das immer!" - "Du genauso!" - "Eine saubere Rechnung sieht anders aus" - etc. ad perpetuum.
© Corbis

Wie Streitparteien selbst eine Lösung finden können.
| Mediator als neutraler Vermittler.
| Kosten deutlich geringer als bei Gerichtsverfahren.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. "Mir wern kan Richter brauchen." - Das ist zwar ein durchaus geläufiges Sprichwort für Kompromissbereitschaft, in der Praxis gilt aber meist: "Beim Geld hört sich die Freundschaft auf." Und vor Gericht endet die dann wirklich, auch wenn die Frau oder der Herr Rat drängt: "Können Sie sich nicht vergleichen?"

Zwischen faulem Kompromiss und harten Bandagen vor Gericht gibt es allerdings noch eine probate Lösung: die Mediation. Es geht darum, ein rechtlich haltbares Ergebnis zu erzielen, ohne Porzellan zu zerschlagen. "Mediation ist der freiwillige Versuch, mit einem fachlich ausgebildeten neutralen Vermittler die Kommunikation zwischen Streitparteien zu fördern und eine selbst verantwortete Lösung zu finden", definiert das Justizministerium.

"Der Mediator übernimmt weder die Rolle eines Rechtsberaters, noch die Vertretung eines Richters. Er ist Mittler, der mit Sachverstand, geeigneter Methodik und ohne Zwang, durch das Verfahren führt", erklärt Theodor Brinek, Unternehmensberater, Mitglied der ExpertGroup Wirtschaftsmediatoren in der Wirtschaftskammer und beim Justizministerium eingetragener Mediator. Und weiter: "Schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit kann dies zu einer umfassenden Vereinbarung führen, die dann, wenn erforderlich, von Anwälten in ein entsprechendes Vertragswerk gegossen werden kann."

Oft geht es ums Geld

In der Wirtschaftsmediation unterscheidet man grob zwei Richtungen: Mediation innerhalb des Unternehmens - etwa bei Konflikten zwischen Gesellschaftern oder zwischen Chef und Mitarbeitern - und Mediation zwischen zwei oder mehreren Firmen.

Da wiederum geht es in vielen Fällen um das Zahlen von Rechnungen, um das Inkasso, um Haftungen für Mängel, um Verantwortlichkeiten, und das sehr oft am Bau. "Wenn man einen Kunden klagt, ist er meist Kunde gewesen", führt man bei "Mira", ein auf Inkassofragen spezialisiertes Mediationsunternehmen, ins Treffen. Dazu wird ein Beispiel geschildert: Ein Generalunternehmer beauftragt eine Reinigungsfirma, einen Bürokomplex für die Übergabe an den Bauherren zu reinigen. Dabei kommt es zu Wasseraustritten, die Parkettböden werden schwer beschädigt. Der Generalunternehmer lässt die Schäden wegen Termindrucks umgehend reparieren, gibt der Reinigungsfirma die Schuld und kürzt ihr um diesen Betrag den Werklohn. Die wiederum sagt, sie habe keine Gelegenheit gehabt, den Sachverhalt zu prüfen, und fordert den vollen Werklohn.

Das Mediationsverfahren hat die wahre Fehlerquelle zutage gefördert und ergab folgende Lösung: Die Installationsfirma zahlt zwei Drittel der Mehrkosten, der Generalunternehmer ein Drittel. Und - ein Folgeprojekt mit Sonderkonditionen wird vereinbart.

"Mira" kommt zu folgenden Vergleichswerten: Eine Mediation im Inkasso dauert im Schnitt neun Wochen, ein vergleichbares Gerichtsverfahren hingegen 15 Monate. Bei einem Streitwert von 50.000 Euro kostet die Mediation knapp 4500 Euro, das Gerichtsverfahren mehr als 14.000 Euro (mit Gerichtsgebühren, Klageschrift und Beantwortung sowie drei Verhandlungen zu je zwei Stunden). Bei einem Streitwert von fünf Millionen Euro gibt "Mira" die Mediationskosten mit rund 77.000 Euro an, die Verfahrenskosten bei Gericht mit mehr als 120.000 Euro. Die Erfolgsquote der eigenen Mediationsverfahren beziffert "Mira" mit 90 Prozent.

Die zweite Variante von Wirtschaftsmediation betrifft Konflikte innerhalb einer Firma. Diese Fälle sind wesentlich komplexer, weil sich meist wirtschaftliche, persönliche und emotionale Konflikte überlagern. Wenn die Seniorchefin einer Gärtnerei zum Beispiel den Betrieb nicht an den Sohn übergeben will, weil sie nicht einverstanden ist, wie ihre - wiewohl fachlich versierte - Schwiegertochter die Kunden betreut. Der Sohn steht zu seiner Frau. Die Seniorchefin droht, den Betrieb an jemand Dritten zu verkaufen. Die Gärtnerei ist jedoch die einzige Lebensgrundlage für den Sohn, der an den Folgen eines Verkehrsunfalles laboriert. Die Betriebsübergabe gelingt durch Mediation.

Oder: Zwei Gesellschafter, Maier und Müller, betreiben eine Elektronikfirma. Müller heiratet, Frau Müller wird Kommanditistin. Sie hält Herrn Maier für wirtschaftlich unbedarft, es kommt zu einem Kleinkrieg, der den Betriebserfolg bedroht. Die Mediation führt zu einer Gesellschaftertrennung in gutem Einvernehmen.

Erweiterter Blickwinkel

Mediator, Wirtschaftstreuhänder und Psychotherapeut Udo Stalzer hat für die Kammer der Wirtschaftstreuhänder 21 Fallbeispiele zusammengetragen und kommt zu dem Schluss: Die Kunst der Mediation ist es, jeder der Streitparteien den Blickwinkel für das Gesamtproblem jenseits des unmittelbaren, als unüberwindbar empfundenen Streitobjektes zu öffnen. Dieser erweiterte Fokus kann Verständnis für die Ängste des Anderen schaffen und bietet dann Raum für gemeinsame Lösungen.

Aber nicht immer muss eine Mediation zum Erfolg führen, es ist durchaus möglich, dass der Konflikt vor dem Richter landet. Das Justizministerium empfiehlt daher, dort eingetragene Mediatoren zu engagieren. Sie dürfen vor Gericht nicht über den Inhalt der Mediation aussagen, und während der Mediation sind Verjährungsfristen gehemmt.

Immer wieder fordern Mediatoren, dass es vor einem Gerichtsverfahren zu einer verpflichtenden Mediation kommt. Das scheint so nicht zu kommen. Stephan Proksch, Sprecher der ExpertGroup Wirtschaftsmediatoren, ist eher für eine Verpflichtung, sich erst einmal über die Möglichkeit der Mediation zu informieren. Und es wird bereits eine vorformulierte Mediationsklausel angeboten, die in bestehende Verträge eingebaut werden kann.

Udo Stalzer, "Wege zur Kooperation", 21 Fallbeispiele für Wirtschaftsmediation, Kammer der Wirtschaftstreuhänder (Hrsg.), Verlag Manz, 22 Euro. www.oebm.at (Österreichischer Bundesverband für Mediation)