Spaniens Sozialisten-Chef Sánchez muss in einer Woche eine Regierungsmehrheit finden. Alles deutet jedoch auf Neuwahlen hin.
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Madrid. Der Countdown läuft. Gut zwei Monate nach den spanischen Parlamentswahlen vom 20. Dezember hat Pedro Sánchez, Chef der Sozialisten (PSOE), nur noch bis Mittwoch kommender Woche Zeit, um eine Regierung zu bilden. Es kommt einer unmöglichen Mission nahe, eine Parlamentsmehrheit für seine Verabschiedung zum Premier zu finden.
Die größte Aussicht auf Erfolg hätte eine Mitte-Links-Koalition aus Sozialisten, der linksalternativen Protestpartei Podemos (Wir können), der kommunistischen Izquierda Unida und linken, regionalen Splitterparteien. Doch selbst die Bildung dieser Allianz ist zum Scheitern verurteilt. Podemos, die auf Anhieb drittstärkste Fraktion wurde, fordert für ihre Unterstützung nahezu inakzeptable politische Zugeständnisse von Sánchez ein. Die spanische Syriza-Schwesterpartei will die bisherige Austeritätspolitik komplett verlassen, Sozialausgaben und Steuern anheben sowie die öffentlichen Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen derart hochfahren, dass dem eigentlich immer strahlenden Sánchez schon seit Wochen nicht mehr zum Lächeln ist.
Rote Linie Katalonien
Die größte Hürde einer Einigung stellen allerdings die Forderungen von Podemos-Chef Pablo Iglesias dar, in Spaniens wirtschaftsstärkster Region Katalonien ein Unabhängigkeitsreferendum nach schottischem Vorbild zuzulassen. Das ist die rote Linie, die Sánchez nicht überschreiten wird.
Dementsprechend kompliziert liefen die Verhandlungen bisher. Podemos setzte den Sozialisten-Chef enorm unter Druck, Iglesias befindet sich weiter im Wahlkampf-Modus. Erst forderte er über die Medien den Vizepremier und für seine Parteikollegen wichtige Ministerposten. Danach weigerte er sich bis zum gestrigen Dienstag, überhaupt mit der PSOE zu verhandeln, solange diese parallel auch mit der liberal-konservativen Partei Ciudadanos spricht. Mit Blick auf die für die Sozialisten unannehmbaren politischen Forderungen von Podemos lehnte Pedro Sánchez Iglesias’ Wunsch nach "exklusiven" Verhandlungen jedoch ab.
Podemos hat allerdings den Hebel in der Hand. Sánchez läuft die Zeit davon und von Neuwahlen kann sich die Protestpartei erhoffen, die Sozialisten als zweitstärkste Formation abzulösen. Zumal verfügen die Sozialisten kaum über Koalitionsalternativen.
Die liberalen Ciudadanos (Bürger), mit 14 Prozent viertstärkste Fraktion, wollen nicht Teil einer sozialistischen Regierung bilden. Selbst für ihre Enthaltung bei der Wahl eines neuen Regierungschefs fordern sie hohe politische Preise von den Sozialisten - vor allem in der Wirtschaftspolitik.
Ein solches Bündnis würde zudem von der Unterstützung katalanischer und baskischer Nationalisten abhängig sein, was für die anti-separatistische Ciudadanos-Partei aus Katalonien ein rotes Tuch ist. Außerdem bedürfte eine Allianz zwischen Sozialisten und Liberalen bei Sánchez’ Regierungsmehrheitssuche der Enthaltung von Podemos und der konservativen Volkspartei (PP). Beide kündigten an, eine PSOE-Ciudadanos-Regierung nicht zulassen zu wollen. Gleichzeitig erklärten Konservative und Ciudadanos, gegen eine PSOE-Podemos Koalition zu votieren. Damit könnte Sánchez selbst in einem zweiten Wahlgang am 5. März scheitern, bei dem er nur noch eine einfache Mehrheit bräuchte. Die Situation ist mehr als festgefahren.
Danach könnte der bisherige konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) sich bemühen, eine Regierungsmehrheit zu finden. Chancen auf Erfolg hat aber auch er kaum. Schon zuvor warb Rajoy bei den Sozialisten und Ciudadanos erfolglos für eine große Koalition oder für die Unterstützung einer Minderheitsregierung. Aufgrund fehlender Koalitionspartner überließ der eigentliche Wahlsieger Rajoy dann seinem sozialistischen Gegenspieler den Vortritt, eine Mehrheit zu finden. Damit zielt nun alles auf Neuwahlen hin, die am 26 Juni stattfinden dürften.