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Mission "Essen retten"

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Eine neue Smartphone-App soll die Verschwendung von Lebensmitteln eindämmen. Der heimische Handel ist skeptisch.


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Wien. Es ist wohl einer der erschreckendsten Auswüchse unserer Konsumgesellschaft: Ein Drittel der weltweit erzeugten Lebensmittel landet im Müll. Allein in Österreich vergammeln jährlich rund 157.000 Tonnen verpackter und unverpackter Lebensmittel sowie Speisereste im Wert von über einer Milliarde Euro im Restmüll.

Diese unglaubliche Verschwendung fängt bereits auf den Feldern an, wo alles, was nicht der (Handels-)Norm entspricht, gnadenlos aussortiert wird. In den Supermärkten beschleunigt vor allem das Haltbarkeitsdatum die Vernichtung genießbarer Waren. Und diese, von den Herstellern aufgedruckten Haltbarkeitsfristen, werden immer kürzer. Dabei haben die angegebenen Fristen oft gar nichts mit der tatsächlichen Haltbarkeit zu tun. Während bei Fleisch-, Fisch- und Eiprodukten das Verbrauchsdatum aus hygienischen Gründen unbedingt beachtet werden sollte, garantiert es auf vielen anderen Produkten meist nur bestimmte Eigenschaften eines Produktes, wie zum Beispiel die cremige Konsistenz eines Joghurts. Die Folge: Eine große Menge Lebensmittel landet auf dem Müll, bevor sie überhaupt den Endverbraucher erreicht.

EU-Initiative

Die EU-Kommission hat dieser Verschwendung von Lebensmitteln nun den Kampf angesagt. Mit Hilfe der sogenannten "FoodLoop"-App sollen Konsumenten künftig Geld sparen und zugleich zur Abfallvermeidung beitragen. Die App wurde mit Hilfe einer von der EU finanzierten Software-Toolbox entwickelt. Und so funktioniert sie: "Man erstellt eine Einkaufsliste mit Produkten, die man regelmäßig kauft, wie Joghurt oder Bananen, und gibt an, ob man über Sonderangebote in der Nähe informiert werden will", erläutert Christoph Müller-Dechent, Gründer von FoodLoop, das Prinzip der App. "Verbilligen sich die gewählten Produkte, wird einem das direkt mitgeteilt." Je nach Art des Produkts und der verbleibenden Tage bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum gibt es dann unterschiedliche Rabatte.

Demnächst startet der Probebetrieb in zwei Bio-Supermärkten und einer Bäckerei nahe Bonn. "Unser Ziel ist es, bis 2025 alle Supermärkte mit FoodLoop auszustatten. Der österreichische Lebensmitteleinzelhandel steht, nach der Deutschland-Expansion Anfang 2015, ganz oben auf unserer Liste", kündigt Müller-Dechent an. "Um unsere Dienstleistung möglichst zeitnah in Österreich anbieten zu können, wäre es praktisch, wenn interessierte Einzelhändler schon jetzt im Vorfeld auf uns zukommen würden."

Handel hat Bedenken

Die großen Player im heimischen Lebensmittel-Handel stehen dem FoodLoop-System derzeit allerdings skeptisch gegenüber. "Ich glaube nicht, dass so eine App tatsächlich etwas bringt, weil sie den Einkauf für Konsumenten und für den Handel extrem kompliziert macht. Und kompliziert funktioniert nicht", winkt Nicole Berkmann, Unternehmenssprecherin von Spar Österreich ab. "Konsumenten wollen nicht herumsuchen, in welchem Markt sie welches Produkt billiger bekommen, dann herumfahren und die Produkte zusammenklauben, die dann nicht einmal frisch sind", erklärt Berkmann.

Als weiteres Hindernis betrachtet man bei Spar den logistischen Aufwand, müssten doch alle 20.000 Produkte mit Richtlinien versehen werden, ab wann genau sie der App gemeldet werden. "Wir müssten die Mitarbeiter einschulen, diese Produkte im Preis senken und mit einem Kleber versehen. Das fällt unter die Kategorie ‚gut gemeint‘, aber diesen Aufwand werden wir sicher nicht übernehmen", so Berkmann.

"Für den Einzelhandel ist das System ganz leicht zu handhaben", betont hingegen Müller-Dechent. "Die Waren, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum fast erreicht ist, werden quasi automatisch über eine Verbindung zum Warenwirtschaftssystem des Händlers entsprechend ausgezeichnet."

Doch auch der Rewe-Konzern kann sich nicht für die App erwärmen. "Wir begrüßen alle Initiativen, die der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung dienen", betont Rewe-Sprecherin Ines Schurin. "Da der Einsatz der FoodLoop-App leider technisch und aus Sicherheitsgründen bei uns nicht möglich ist, können wir diese Möglichkeit allerdings nicht anbieten."

Spar und Rewe haben nach eigenen Angaben andere Strategien entwickelt, um die Lebensmittelverschwendung einzudämmen. In beiden Konzernen setzt man auf eine immer effizientere Logistik und ein optimiertes Warenwirtschaftssystem zur Vermeidung und Reduzierung von Lebensmittelabfällen. Zudem spendet man abgelaufene Waren an Sozialmärkte und ähnliche karitative Einrichtungen. "Die Verteilung der Lebensmittel stellt dabei eine große Herausforderung dar, denn nicht immer gibt es ausreichend Mitarbeiter, die die Ware abholen und in die Einrichtungen bringen können", schildert Ines Schurin. "Daher unterstützt Rewe beispielsweise die Wiener Tafel nicht nur mit Lebensmittelspenden, sondern auch bei der Logistik."

Christoph Müller-Dechent überzeugt diese Strategie nicht. "Trotz dieser möglichen Lösung Abfälle zu vermeiden, werden die meisten frischen Lebensmittel in vielen Supermärkten, auch aus logistischen Gründen, immer noch weggeworfen. Innovative Lösungen wie FoodLoop stellen deshalb eine sinnvolle Ergänzung zu den Spenden dar."

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