US-Finanzhai landet Riesen-Flop. | Ripplewood mit lädiertem Image. | RHJ International macht Megaverlust. | Für Timothy Collins ist es ein harter Schlag, und er kam zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: Der Boss und Gründer der amerikanischen Finanzgesellschaft Ripplewood Holdings, der sich mit seiner Brüsseler RHJ International seit Wochen bemüht, Opel zu übernehmen, muss zur Kenntnis nehmen, dass die in seinem Besitz befindliche Readers Digest Association vor einer veritablen Bauchlandung steht. Der Verlag hat in den USA Insolvenz angemeldet und will versuchen, sich unter Gläubigerschutz nach Chapter 11 zu sanieren. Der Insolvenzantrag ist Teil eines gemeinsam mit den Kreditgebern ausgearbeiteten Plans; die Geschäfte in Kanada, Lateinamerika, Europa, Afrika, Asien, Australien und Neuseeland sind davon nicht betroffen. "Readers Digest" ist nach Konzernangaben die auflagenstärkste verkaufte Monatszeitschrift der Welt, das 87 Jahre alte Medienunternehmen aus dem Bundesstaat New York sitzt insgesamt auf einem Schuldenberg von 2,2 Milliarden Dollar (1,5 Milliarden Euro).
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Im vergangenen Geschäftsjahr hatte das Unternehmen bei 2,8 Milliarden Dollar Umsatz einen operativen Verlust von 337 Millionen erlitten. Zu Jahresbeginn kündigte das deren Chefin Mary G. Berner an, sich von acht Prozent der weltweit 3500 Mitarbeiter trennen zu müssen. Und jetzt versucht der Verlag, sich die Schulden auf etwa 600 Millionen zu drücken (siehe Kasten).
Das Unternehmen, das bis März 2007 an der New Yorker Börse notierte, ist damals von einem Konsortium unter Führung der amerikanischen Investmentgesellschaft Ripplewood für großteils fremdfinanzierte 1,6 Milliarden Dollar aufgekauft worden. Die Käufer rund um Collins hatten große Pläne geschmiedet und wollten eine riesige Mediengesellschaft aufbauen. Jetzt endet das Engagement indes in einem Desaster: Die Gläubiger scheinen nämlich bereit zu sein, 1,6 Milliarden Schulden in Unternehmensanteile umzuwandeln und den etwas angestaubten Zeitschriftenmulti faktisch zu übernehmen.
Der Ripplewood-Chef, der vor zwei Jahren auch rund 800 Millionen Schulden übernommen hat, wird also nicht nur seine Anteile, sondern auch das Investment verlieren. Der Traum, sich auch als Medientycoon zu betätigen und beispielsweise die Zeitschriften von Time Warner zu inhalieren, ist damit geplatzt. Und sein exzellentes Image, das er einigen spektakulären Deals - etwa mit der japanischen Shinsei Bank - verdankte, bekommt riesige Kratzer ab.
Triumph in Japan,Flop in den USA
Der aggressive Firmenjäger hatte im März 2000 die fast bankrotte Staatsbank aufgekauft, saniert, umbenannt, an die Börse gebracht und sich nach vier Jahren mit einem Profit von 3,8 Milliarden Dollar wieder verabschiedet. Ein ähnlicher Coup gelang Collins mit der Japan Telecom, dem drittgrößten Festnetzanbieter der Insel, die ihm innerhalb eines Jahres 700 Millionen Dollar Rebbach sicherte. Bei anderen Unternehmen, wie Western Multiplex, Advance Auto Parts oder Kraton Polymers, hat er ebenfalls kräftig zugelangt und sich eine goldene Nase verdient.
Die Schlappe mit "Readers Digest" muss den erfolgsverwöhnten Collins vor allem deshalb schmerzen, weil er gerade die Transaktion seines Lebens landen möchte: Der clevere Finanzhai, der Barack Obamas Wahlkampf massiv unterstützt hatte, ist seit etlichen Wochen als Widerpart von Magna eine Zentralfigur im Übernahmepoker um Opel. Die in Brüssel ansässige RHJ International, an der Collins mit 15 Prozent beteiligt ist, scheint zwar beim mittlerweile verstaatlichten Automobilkonzern General Motors (GM) die besseren Karten zu haben als der Austrokanadier Frank Stronach mitsamt seinen russischen Kompagnons - die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die für eine großzügige Staatshilfe sorgen soll, und die um ihre Arbeitsplätze zitternden Opel-Mitarbeiter sehen das allerdings anders.
Collins Chancen, letztlich die Nase vorn zu haben und Opel übernehmen zu dürfen, sind daher völlig offen. GM-Verhandlungsführer John Smith und der Verwaltungsrat, denen der Landsmann naturgemäß näher steht als Magna und Sberbank, haben in Kürze endgültig die Frage zu beantworten, welchen der beiden Interessenten sie für besser geeignet halten, den maroden Rüsselsheimer Autobauer Opel zu retten. Neuerdings sind rund um RHJ International etliche Fragezeichen aufgetaucht: Neben den Spekulationen, dass das Unternehmen nicht wirklich viel verändern würde, sich nur kurzfristig engagieren und Opel bald wieder mit Gewinn an GM abtreten könnte, ist die Kernfrage offen, ob der Mega-Deal für den Magna-Rivalen nicht eine Mission Impossible wäre.
Schwierigkeitenan allen Fronten
Ursprünglich wollte sich der 52-jährige Private- Equity-Profi mit der 2004 in Brüssel gegründeten RHJ in Europa ein Denkmal errichten: Ihr Börsegang im März 2005 spielte nicht weniger als 650 Millionen Euro ein. Collins, der sich gerne an der US-Investoren-Legende Warren Buffett misst, hatte es damals auf den europäischen Private-Equity-Markt abgesehen und prophezeite diesem Sektor noch Anfang des Vorjahres "ein goldenes Zeitalter". Die großen Töne, die er gerne spuckt ("Wir machen nur Big Business"), passen derzeit aber kaum zur Realität.
Die RHJ, die bevorzugt in Japan engagiert ist, hat nämlich ein katastrophales Jahr hinter sich: So gut wie alle ihre Beteiligungen - nicht nur ihre fernöstlichen Autozulieferfirmen - sind unschwer auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: dramatische Umsatzrückgänge, durchwegs rote Zahlen, hohe Schulden. Bei einem Umsatz von drei Milliarden Euro betrug der Verlust im letzten Geschäftsjahr alles in allem stolze 1,1 Milliarden (siehe Kasten).
Die Turbulenzen von "Readers Digest" markieren obendrein für die nach der Farm seiner Großmutter benannte Collins-Firma Ripplewood, eine klassische Private-Equity- und Venture-Capital-Gesellschaft, einen herben Rückschlag: Dass Collins, der damals prominente Partner wie die Zürcher Rothschild Bank oder Merrill Lynch gewinnen konnte, die angeschlagene Magazin-Ikone nicht in eine moderne Profit-Maschine verwandeln konnte, sondern in ein Schuldenchaos führte, wird ihm als sein wohl größter Flop noch lange nachhängen.
Jetzt kann er nur hoffen, dass er dank seiner erstklassigen Kontakte beim Duell um Opel nicht endgültig out ist. Beim außerordentlichen RHJ-Shareholder-Meeting, das morgen, Mittwoch, in Brüssel stattfindet, soll eine Kapitalerhöhung um 600 Millionen Euro abgesegnet werden. Ansonst können sich die Aktionäre, die gespannt auf die Entscheidung seitens General Motors warten, nur darauf verlassen, dass es im Wirtschaftsleben immer wieder Wunder gibt.
Die Krise einer Medien-Ikone
Die Readers Digest Association mit Hauptsitz in Pleasantville/N.Y., 1922 von William Roy DeWitt Wallace und seiner Frau Lila Acheson in Pleasantville bei New York gegründet, zählt seit langem zu den traditionsreichsten amerikanischen Medienmultis. Sie ist in 44 Ländern mit eigenen Büros präsent und hat vor kurzem noch 3500 Mitarbeiter beschäftigt. Neben "Readers Digest", dem weltweit in 50 Ausgaben erscheinenden Titel im Taschenbuchformat, produziert sie weitere Zeitschriften, aber auch Bücher, Videos und Lernbehelfe, die in 78 Staaten vermarktet werden. Der Medienkonzern ist auch auf neuen Märkten wie China, Serbien, Chile oder Saudiarabien aktiv.
Seine in 24 Sprachen erscheinenden Printtitel werden in 78 Ländern 130 Millionen Mal unter folgenden Brands verkauft: "taste of home", "birds & Blooms", "Health smart", "farm & ranch", "The Family Handy man", "joy", "Country", "fresh home", "English2Go", "Our Canada", "Polska Wita" oder "Purpose driven". Der Konzern setzt obendrein jährlich rund 40 Millionen Bücher und Videos ab und betreibt 65 Websites, die monatlich von 22 Millionen Unique Visitors genutzt werden.
Die US-Auflage von "Readers Digest" sackte im letzten Jahr von fast 10 auf 8,3 Millionen ab, die Anzeigenerlöse schrumpften im ersten Halbjahr 2009 um 7,2 Prozent auf 121 Millionen Dollar. Am einschlägigen Werbemarkt rangiert die Zeitschrift mit fünf Prozent Anteil nur als Nummer 12, weit hinter "Family Circle" oder "Better Homes & Gardens". Sie dürfte die derzeitige Krise zwar überleben, wird aber künftig nur noch zehn Mal pro Jahr erscheinen.
Die Ausgaben im Ausland, darunter die deutsche, sollen ebenfalls nicht gefährdet sein und weiter erscheinen.
Viel Pech für Ripplewood
Der amerikanische Beteiligungsgesellschaft Ripplewood - 1995 von Timothy C. Collins gegründet - hat sich auf Firmenübernahmen spezialisiert und 2007 als Konsortialführer die Readers Digest Association übernommen. Ihr Portfolio reicht von Telekommunikation über Banken bis zur Unterhaltungsbranche. 2004 hat sie ihr Vermögen von rund vier Milliarden Dollar in die belgische RHJ International eingebracht, die sich seit Monaten als Opel-Interessent in Szene setzt.
Die Gruppe besitzt derzeit unter anderem fünf große Brocken: die japanischen Autozulieferer Asahi Tec Corporation (60 Prozent) und Niles Co. Ltd. (77 Prozent), den japanischen Musikproduzenten Columbia Music Entertainment (25,5 Prozent), die japanische Freizeitanlage Phoenix Resort (100 Prozent) sowie den deutsch-belgischen Autozulieferer Honsel International Technologies (82 Prozent). Letzterer musste allerdings im Mai auf Grund hoher Schulden teilweise an dessen Kreditgeber abgegeben werden. Weiters ist RHJ am japanischen Konsumgüterproduzenten Shaklee Global Group Inc. und am Autozulieferer U-Shin Ltd. beteiligt. Im abgelaufenen Geschäftsjahr, das am 31. März 2009 endete, verzeichnete RHJ International einen Umsatz von drei Milliarden Euro, ein Drittel weniger als 2007. Der Bilanzverlust belief sich auf 1,1 Milliarden Euro - doppelt so viel wie im Jahr davor. Der Wert des Beteiligungsportfolios ist innerhalb eines Jahres in Folge der rapiden Produktionsrückgänge im Automobilbereich gleich um 43 Prozent auf 912 Millionen Euro geschrumpft. Trotzdem will die Beteiligungsgesellschaft mehr als 500 Millionen Euro an flüssigen Mitteln zur Verfügung haben und insbesondere im Bereich Finanzdienstleistungen investieren.