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Missstimmung in der Koalition

Von Brigitte Pechar

Politik

Nach den Landtagswahlen in Oberösterreich und Tirol bestritten Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Herbert Haupt gestern erstmals seit Schwarz-Blau das Pressefoyer nach dem Ministerrat auf Wunsch des FPÖ-Chefs getrennt. Weil sie den Wahlausgang nicht gemeinsam kommentieren wollten, begründeten beide das Vorgehen. Am Abend stellten sich beide ihren Parteigremien in Wien.


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Die FPÖ drängt nach den dramatischen Verlusten bei den Urnengängen vom Wochenende auf mehr Spielraum innerhalb der Koalition und will auch, das machte Haupt gestern neuerlich deutlich, bei ihrem Verlangen nach Vorziehen von Teilen der Steuerreform nicht nachgeben.

Allerdings wies der Bundeskanzler dieses Ansinnen zurück: Man habe ohnehin schon auf Wunsch der FPÖ einen wichtigen Teil der Entlastung auf 2004 vorverlegt. Nun gehe es darum "Erfolge, die die Handschrift der Freiheitlichen tragen, stärker zu kommunizieren", räumte Schüssel ein. Zudem werde man versuchen, alles zu tun, um die Regierungsarbeit zu verbessern. Ein angeschlagenes Klima wollten weder Schüssel, der den Journalisten im Bundeskanzleramt Rede und Antwort stand, noch Haupt, der im Vizekanzleramt am Minoritenplatz Journalistenfragen beantwortete, zugeben. Haupt wollte die "Befindlichkeit des Koalitionspartners" nicht kommentieren. Schüssel mahnte gute Zusammenarbeit ein: "Wer streitet, verliert." Infrastrukturminister Hubert Gorbach stellte bereits Montag Abend fest: "Die Partnerschaft muss im Vordergrund stehen. Sonst hat es für die FPÖ keinen Sinn, in der Regierung zu sein."

Zur Kritik aus den eigenen Landesorganisationen am Reformtempo und am mangelnden Fingerspitzengefühl der Regierung meinte der ÖVP-Obmann, es sei notwendig "Reformen mit Augenmaß, mit Selbstkritik aber auch mit dem notwendigen Feuer der Überzeugung" zu vertreten. Allerdings räumte Schüssel ein, dass man die zu lösenden Probleme vielleicht besser kommunizieren müsse.

Die Wahlen vom Sonntag wertet Schüssel als Erfolg für die ÖVP. Allerdings müsse man sich "selbstkritisch fragen, ob nicht die Erwartungen übertrieben gewesen sind". "Eine Koalition, die mit einem ambitionierten Programm antritt, muss damit rechnen, dass das thematisiert wird, auf allen politischen Ebenen."

Die FPÖ werde nun eine Reihe von Schritten setzen, die die Partei wieder "erkennbar" machen, betonte Haupt. Als Beispiele nannte er den Bereich der Sicherheit und deutete damit Widerstand gegen Kürzungen bei der Exekutive an. Man werde auch auf die Harmonisierung der Pensionssysteme im Herbst drängen und an der zentralen FPÖ-Forderung, der Steuerreform, festhalten. Die Steuerreform sei zwar verabschiedet, andererseits kämen aus Italien oder Deutschland keine Wachstumsimpulse, sodass Österreich selbst aktiv werden müsse. Haupt sieht die Regierung gut beraten, wenn sie bereits "in den nächsten Tagen" ein "Konjunkturprogramm samt begleitenden Steuermaßnahmen" beschließe. Details wollte der Vizekanzler nicht nennen: "Wir werden vom Verhandlungstisch Ergebnisse nach Hause bringen." Haupt konstatiert auch ein teilweises Einlenken der ÖVP: "Die Fronten gehen langsam auf."

Mehr eigenständiges Profil will die FPÖ auch beim Thema EU-Erweiterung gewinnen. Die FPÖ habe einige Vorbehalte, schon allein wegen der zu kurzen Übergangsfristen.

Ganz und gar nicht gut ist das Klima derzeit zwischen der FPÖ und dem Finanzminister. Vor allem ihm wird vorgeworfen, bei der Voest-Privatisierung "Tempo und Zeitpunkt völlig falsch gewählt" zu haben. Aber Haupt gestand Grasser Lernfähigkeit zu: "Jeder vernünftige Mensch in der Politik ist lernfähig, warum nicht der Finanzminister?"

Grasser selbst betonte, er habe aus der ÖVP bisher keine Kritik gehört, jene des Kärntner Landeshauptmanns wolle er nicht kommentieren. Er wies auch einen starken Bundeseinfluss auf die Wahlen zurück. Die Frage, ob die Regierung bei ihren Reformen zu schnell vorgehe, verneinte er.