Referendum als Vorwahl-Geplänkel. | Polemik vergiftet politisches Klima. | Barcelona. Am Sonntag entscheiden die katalanischen Stimmbürger über ein neues Autonomiestatut. Es hat bereits die Regionalregierung in Barcelona gespalten. Der Abstimmungskampf vergiftet das politische Klima in Spanien.
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"Wir bezahlen, also wollen wir auch bestimmen": Für Josep Lluís Carod Rovira, den Chef der linken Nationalisten Kataloniens "Esquerra Republicana" ist das neue Autonomiestatut nur ein fauler Kompromiss. "Das Ziel muss die Unabhängigkeit sein", sagt Rovira, der seit den vergangenen Parlamentswahlen Koalitionspartner der Regierung war. Deshalb sollen seine Anhänger mit "Nein" stimmen.
Neuwahlen ausgerufen
Die Ablehnung Roviras war zu viel des Guten für den katalanischen Ministerpräsidenten Pasqual Maragall. Er hat den Juniorpartner kurzerhand aus der Regierung geworfen und für den Herbst Neuwahlen angekündigt. Denn seine sozialistische Regierungspartei hat zusammen mit der CiU, einer Verbindung aus Christdemokraten und Liberalen, sowie dem spanischen Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero die Reform des Autonomiestatuts ausgearbeitet.
Das Hauptziel der Reform ist die Verbesserung der finanziellen Situation. In Katalonien klagt man, von den Steuern, die an den Zentralstaat bezahlt werden, fließe zu wenig zurück. Dies mache sich vor allem bei der Infrastruktur in einer der dynamischsten Regionen des Landes bemerkbar. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke Madrid-Barcelona ist immer noch nicht fertig, während Sevilla schon 1992 seine Schnellzugverbindung mit Madrid bekommen hat. Auch der Flughafen in Barcelona entspricht bei weitem nicht internationalen Standards.
Auftrieb für Populisten?
Der oppositionellen spanischen Rechten sind Kataloniens Autonomiebestrebungen jedoch ein Dorn im Auge. Im konservativen Partido Popular sieht man die "Einheit Spaniens" in Gefahr. Die Partei ritt heftige Attacken gegen Maragall und schürte ein regelrecht anti-katalanisches Klima. PP-Führer Mariano Rajoy wurde deshalb am vergangenen Wochenende bei einer Veranstaltung in einem Vorort Barcelonas von einer aufgebrachten Menge beschimpft und mit Eiern beworfen.
Sowohl das spanische als auch das katalanische Parlament haben das reformierte Autonomiestatut bereits verabschiedet. Das Referendum am Sonntag hat somit eher symbolischen Wert. Den Umfragen zufolge wird die Mehrheit mit "Ja" stimmen. Eine niedrige Wahlbeteiligung könnte allerdings das politische Chaos noch weiter verschärfen - und den Populisten neuen Auftrieb geben. Diese könnten dann bei den Neuwahlen von der aufgeheizten Stimmung profitieren.