Alois Mock starb am Donnerstag nach langer Krankheit im Alter von 82 Jahren.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Er war mit Sicherheit keiner der üblichen Siegertypen. Und so ist es eigentlich fast typisch, dass er seine Lebensaufgabe erst in dem Moment fand, als ihn eine brutale Niederlage aus der Bahn - und der Politik - zu werfen drohte.
Wir schreiben 1986, Alois Mock war da bereits sieben Jahre lang Obmann der ÖVP. Bei den Wahlen 1983 verlor ein kranker Bruno Kreisky zwar die Absolute, rettete der SPÖ aber Platz eins. Die anschließende rot-blaue Koalition taumelte mehr, als sie regierte; bei den Wahlen 1986 wähnte sich Mock schon als Sieger und künftiger Kanzler. Doch das frische Kanzler-Gesicht Franz Vranitzkys brachte die Kanzler-Träume Mocks jäh zum Platzen. Am Ende fehlten ihm 88.000 Stimmen.
Schwarz-Blau hatte schon damals eine Mehrheit im Nationalrat, und Mock war dazu entschlossen. Doch in einer turbulenten Vorstandssitzung konnte sich der Parteichef nicht durchsetzen und entging nur knapp der Demontage durch die eigenen Leute, die für eine große Koalition votierten.
Das Klima zwischen SPÖ und ÖVP war zu diesem Zeitpunkt schon nahe am Nullpunkt. In den Monaten zuvor spaltete die Wahl des ÖVP-Kandidaten Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten Land und Leute. Die Auseinandersetzung über von der SPÖ gestreute Berichte zur angeblichen Beteiligung des ehemaligen UNO-Generalsekretärs an Kriegsverbrechen geriet zur Schlammschlacht mit langem Schatten.
Die Wahlen verlor die ÖVP, die Koalitionsverhandlungen gewann sie. Mock wurde Vizekanzler und Außenminister. Den Schwarzen die internationale Bühne zu überlassen, brachte den alten Kreisky auf die Palme. Der drohte öffentlich, für diesen Fall den Ehrenvorsitz der SPÖ zurückzulegen. Allerdings hatte Vranitzky keine andere Wahl, wollte er selbst Kanzler bleiben. Vranitzky entschied sich gegen Kreisky, und Alois Mock hatte mit dem neuen Amt im Alter von 52 Jahren seine Lebensrolle als Politiker gefunden.
Im Zentrum standen dabei zwei Themen, die eigentlich ein größeres Ganzes waren: die Überwindung der Spaltung Europas in Ost und West und sein Zusammenwachsen in Form der Europäischen Gemeinschaft, der heutigen Union. Die SPÖ reagierte auf diese polit-tektonischen Umwälzungen ab Mitte der 1980er Jahre mit einer Mischung aus Zaudern und Zögern, vor allem die Gewerkschaften fürchteten um ihre heile nationale Welt. Mock sorgte dafür, dass die ÖVP hier die Richtung vorgab mit einem großen Ziel: den Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft.
Am 17. Juli 1989 erfolgte die Übergabe des Briefes mit dem Beitrittsantrag in Brüssel. Am 1. Februar 1993 dann der Startschuss für die offiziellen Verhandlungen. Am 1. März 1994 dann die letzte Runde, die hatte es aber noch einmal in sich: Erst nach einem 80-stündigen Verhandlungsmarathon konnte Mock im Team mit SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer am Abend den Abschluss verkünden: "Österreichs Weg nach Europa ist frei", paraphrasierte er den legendären Satz Leopold Figls von 1955. Das "Busserl" für die "Gitti" stand symbolisch für den emotionalen Überschwang des Augenblicks. Bei der Volksabstimmung über den Beitritt 1944 votierten 66,6 Prozent der Österreicher mit ja.
In der ersten Reihe stand Mock schon 1991 beim Zerfall Jugoslawiens. Als Außenminister drängte er auf eine rasche Anerkennung der abspaltungswilligen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien, Vranitzky wollte den Großmächten den Vortritt lassen. Doch die waren heillos zerstritten. Mock glaubte, eine Anerkennung könnte das Blutvergießen beenden, Vranitzky das Gegenteil, die Frage bleibt bis heute ungeklärt.
Wer es sehen wollte, der konnte schon in den Stunden einer seiner größten Enttäuschungen, am Wahlabend 1986, erste Zeichen von Parkinson erkennen, jener Krankheit, die Mock bis zu seinem Tod nicht mehr loslassen sollte. Am März-Abend 1994, als er seinen größten Triumph feierte, waren sie bereits unübersehbar. Nach den Wahlen 1995 wechselte er in den Nationalrat und bleib dort noch bis 1999.
Die Zweite Republik verdankt Mock Bilder mit einigen ihrer prägendsten Momente: etwa jenes vom Schnitt durch den Eisernen Vorhang gemeinsam mit Ungarns Außenminister Gyula Horn drei Monate vor der Grenzöffnung im Juni 1989. Oder das "Busserl" für "die Gitti" Ederer nach erfolgreichem Abschluss der Beitrittsverhandlungen. Auch einige lustige sind dabei, so jenes vom Außenminister auf Staatsbesuch in kurzen Hosen.
Fast bis ganz zuletzt zeigte sich Mock trotz seiner Krankheit in der Öffentlichkeit, meistens in Begleitung seiner Ehefrau Edith, mit der er 51 Jahre kinderlos verheiratet war und die ihn bis zum Schluss betreute.
Am Donnerstag ist Alois Mock, geboren 1934 in Euratsfeld, der "Mister Europa" Österreichs, gestorben.