Jerusalem - Der 55-jährige Moshe Katzav, der bei der israelischen Präsidentenwahl am Montag völlig überraschend den weltgewandten Shimon Peres besiegt und damit auch Ministerpräsident Ehud Barak eine schwere Niederlage zugefügt hat, ist nicht nur im Ausland ein unbeschriebenes Blatt. Auch in Israel gehört der Kandidat des rechten Likud-Blocks nicht gerade zu den Politikern, die regelmäßig Schlagzeilen machen.
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Umso überraschender, dass der politische "Nobody" dem Staatsmann und Friedensnobelpreisträger Peres das höchste Staatsamt streitig machte. Noch nie in 52 Jahren Staatsgeschichte hatte bisher in Israel ein Kandidat der Linken die Präsidentenwahl verloren, auch wenn die Rechte gerade die Regierung stellte.
Wäre da nicht seine Herkunft, hätte ihn vermutlich nicht einmal der Likud-Block aufgestellt. Katzav stammt aus dem Iran, gehört also zu den sephardischen (orientalischen) Juden, die in Israel viel über Diskriminierung klagen. Außerdem ist er fromm. Grund genug für ihn, bei der Wahl im Parlament auf die Stimmen der orthodoxen Parteien, vor allem der sephardischen Shas-Partei, zu hoffen, die ihn am Ende wohl auch in das Amt beförderten. Katzav porträtierte sich denn auch in den Wochen vor der Wahl als der Einzige, der in der Lage wäre, die tiefe Kluft in der israelischen Gesellschaft zu überbrücken.
Katzav kam im Alter von sechs Jahren nach Israel, ging in einer "Entwicklungsstadt" für Neu-Einwanderer zur Schule, studierte Landwirtschaft, Volkswirtschaft und Geschichte. Schon als Student engagierte er sich für die rechtsgerichtete Herut-Partei von Menachem Begin und dessen Likud-Block und wurde 1969 mit 24 Jahren Israels jüngster Bürgermeister in seiner Heimatstadt Kiryat Malachi. Mit 32 Jahren wurde er erstmals Abgeordneter.
Im Parlament arbeitete er sich über diverse Ausschüsse "nach oben" und wurde 1984 erstmals Minister. Unter Benjamin Netanyahu erhielt er 1996 das Tourismus-Ressort und wurde Vizepremier. Seine einzige Erfahrung mit der Außenpolitik war die als Vorsitzender der israelisch-chinesischen Freundschaftsliga.
Katzav klagte in den Wochen vor der Wahl ständig darüber, dass Peres erheblich mehr Raum in der Berichterstattung erhalte, "nur, weil ich keine Skandale vorzuweisen habe und weniger bekannt bin". Umfragen kurz vor der Wahl hatten noch gezeigt, dass ihn nur 20 Prozent der Israelis als Präsidenten wollten, während sich 63 Prozent für Peres aussprachen.
Katzav, der verheiratete Vater von fünf Kindern verdankte sein neues Amt in erster Linie der anhaltenden israelischen Regierungskrise, in der mehrere Abgeordnete offenbar nicht so sehr auf die Verdienste der Kandidaten, sondern ihre Parteizugehörigkeit schauten. Katzav konnte sich aber auch auf das Gesetz der Serie verlassen: Shimon Peres, inzwischen schon die tragische Gestalt der israelischen Politik, galt schon vor seiner Niederlage als "ewiger Verlierer".