36 Stunden an Bord des Flugzeugträgers "Harry S. Truman" - eine Reportage. | Geschwader fliegen vor allem Einsätze in Afghanistan. | Arabischer Golf. Sechs Uhr morgens und schon 32 Grad. Am militärischen Teil des Flughafens Bahrain stehen rundum interessante Flugzeuge, aber der junge Navy-Lademeister mit Rufnamen "Fester" verlangt nach Aufmerksamkeit. Fotos sind hier sowieso ein "No Go". Zuvor hat man unterschrieben, die US-Marine schadlos zu halten, wenn im Folgenden etwas schiefgeht - nun wird beim Anschnallen im 22 Jahre alten Versorgungsflugzeug besonders auf die Notausstiege oben gedeutet. Ein paar Minuten würde die C-2 im Notfall schwimmen, im Überlebens-Kit gibt es auch Anti-Hai-Pulver. "Fester" scherzt, in Wahrheit würde es aber Haie anlocken.
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Seit "Top Gun" oder "Desert Storm" (1991) sind die Bilder von grauen Kampfjets und den bunten Gestalten auf dem Flugdeck im Kopf. Trotzdem erscheint der Flug zu einem US-Flugzeugträger im Einsatz für einen kuschelig-neutral und mit überschaubaren Bundesheer-Größenordnungen sozialisierten Österreicher wie ein Wurmloch in ein Paralleluniversum. Nicht nur sprengen die technischen Kapazitäten gewohnte Dimensionen, auch Ansichten und Einstellungen der dort Angetroffenen sind "vom anderen Stern".
Nach einem ruppigen Sinkflug und einem kräftigen Stoß beim Aufsetzen öffnet sich die Heck-Klappe der C-2 - und da ist das Flugdeck der "Harry S. Truman". Die von hier aus startenden Geschwader fliegen vor allem Luftunterstützung für die US- und Isaf-Truppen in Afghanistan.
Abseits der Operation Enduring Freedom (OEF) hat der Verband rund um die "Truman" multiple Aufgaben. Zwei Schiffe sind in einer Anti-Piraten-Task-Force vor Somalia, zwei vor Aden. 30 Flugminuten nördlich liegt zudem Chah Bahar, die größte Marinebasis der iranischen Revolutionsgarden - auch wenn man an Bord überall dementiert, einen besonderen Auftrag gegen den Iran zu haben.
Keine Selbstverständlichkeit, hier "auszusteigen". Mit einer Verdrängung von 100.000 Tonnen sind die zehn seit 1975 operierenden Flugzeugträger der Nimitz-Klasse die mächtigsten Kriegsschiffe der Welt, 330 Meter lang und 78 Meter breit. Nur um den atomgetriebenen Träger zu betreiben, braucht es 3400 Menschen, für die rund 65 Luftfahrzeuge nochmals 1600.
25 Prozent der Crew sind Frauen, das Durchschnittsalter der gesamten Mannschaft liegt knapp über 20. Sie arbeiten in zwölf Schichten und verputzen 15.000 Mahlzeiten am Tag. Das ist, als ob zum Beispiel ganz Schärding zur See fahren würde - samt AKW.
Keine Flugshow
Im Inneren des Schiffes wartet ein weiblicher Lieutenant zur See in blauem Pixel-Dress. Immer hinter der Medienverantwortlichen her geht es über steile Leitern hinunter ins täglich vier Programme produzierende TV-Studio zur Begrüßung. Der Presseoffizier notiert sich, von wem man was wissen will. Den Admiral der gesamten "Battle-Group" sprechen? "Wir werden uns bemühen." Hier ist Zeitmanagement alles. Die Medienoffiziere - man würde sich ohne sie heillos verirren - versuchen möglichst viel "Action" und Hochtechnologie herzuzeigen. Noch ein Uhrenvergleich, und das Programm läuft.. .
Zunächst sieben Stock nach oben, der "Airboss" wartet. Dieser ist verantwortlich für den Luftraum im Umkreis von 10 Meilen. Er choreographiert mit drei Telefonen das andauernde "Ballett" ums Deck zwischen Anflügen und gleichzeitigen Starts. Hauptlast der Kampfeinsätze tragen vier Staffeln mit je 10 bis 14 F-18 "Hornet" bzw. "Super-Hornet", die bekannte F-14 "Tomcat" wurde 2006 abgestellt. Dazu eine Staffel mit vier Radarflugzeugen zur Frühwarnung und Gefechtskoordination. Ergänzt wird das Geschwader durch acht "Seahawks", einer mit Marine-Ausrüstung vollgepackten Version des auch in Österreich fliegenden "Black Hawk".
Sofort fällt auf: Das ist keine Flugshow. Alle F-18 sind scharf bewaffnet, je eine laser- und eine GPS-gelenkte 250 Kilo-Bombe sowie ein bis zwei Luft-Luft-Raketen. Laufend werden in eines der Dampfkatapulte Flugzeuge eingehängt und auf nur 90 Metern mit bis zu 240 Stundenkilometern "weggeschossen". Charakteristische Dampfschwaden überall. Gleichzeitig kehren hinten Maschinen zurück, erwischen mit ihrem Haken - meist - eines der vier Lande-Seile. Oder sie starten ohrenbetäubend durch, nur 15 Meter entfernt.
"Wir fahren für euch"
"Geleakte" Dokumente, pakistanisches Doppelspiel oder wachsende europäische Skepsis bezüglich des schon fast zehn Jahre andauernden Kampfes gegen die Taliban spielen an der Bord der "Truman" hingegen kaum eine Rolle. Hinter dem 1948 durch Truman-Anhänger geprägten Schiffsmotto "Give em hell" scharen sich alle in Zuversicht und Zufriedenheit über Missionserfolge.
Letztere müssen im Rahmen der OEF übrigens nicht immer abgeworfene Bomben bedeuten. Die Crews der "Prowler"-Jets messen jene zum Beispiel in erfolgreicher Unterdrückung von Mobiltelefon- und Funksignalen der Aufständischen, in nicht telefonisch gezündeten Sprengsätzen. Die Hubschrauber-Crews in geretteten Piloten. Optimismus zeigt in seinem Quartier schließlich auch Admiral P. Driscoll, Kommandant der gesamten Kampfgruppe 10 und selbst Einsatzpilot bei "Desert Storm". "Jede Besatzung ist sechs bis sieben Stunden in der Luft, sie alle machen einen tollen Job", sagt der Admiral.
Am Frühstückstisch findet ein Reaktor-Techniker dann doch - explizit persönliche - Worte über die Mission und die gehen über simple "Vergeltung für 9/11" hinaus: Auf dieser Welt brauche es letztlich so etwas wie eine Ordnungsmacht, angesichts immer wieder auftretender Schlächter, Despoten und Diktatoren. "Wie sollen denen Grenzen aufgezeigt werden, wenn nicht durch das Grau der Navy-Kriegschiffe am Horizont? Nachdem Ihr Europäer kaum willens und oder fähig dazu seid, so ist es letztlich eben an uns."
Die Demokratien dieser Welt müssten jedoch militärisch zusammenrücken, meint der Techniker. Vor allem angesichts ihrer sowieso demografisch begründeten abnehmenden Rolle auf der Welt: "Ist eine logische Sache, am Ende gehts ums Überleben des Westens. Dafür fahren wir hier rum, auch für euch. . ."
Georg Mader ist Österreich-Korrespondent des britischen Rüstungsjournals "Janes Defence Weekly".