Japans Liberaldemokraten wollen die schwächelnde Wirtschaft wiederbeleben.
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Tokio. Am Nachmittag des 26. Dezember rissen sich japanische Fernsehstationen um ein Interview mit Seika Noda. Als neue Vorsitzende des Generalrats der Liberaldemokraten (LDP) hatte sie vom neuen Premierminister Shinzo Abe, der am gleichen Tag vom Oberhaus ins Amt gewählt worden war, einen Spitzenposten erhalten. Außerdem hatte Abe zwei Ministerinnen ernannt. Als ein Fernsehmoderator die 52-jährige Noda fragte, ob eine der beiden als Mutter von zwei Kindern gleichzeitig ihre Erziehungsaufgabe bewältigen könne, entgegnete Noda kühl lächelnd: "Einen Mann würden Sie das ja auch nicht fragen. Das ist eine Sache, die nur sie und ihren Ehemann etwas angeht." Peinlich berührt entschuldigte er sich. Noda hat selbst einen einjährigen, schwer kranken Sohn.
Arbeitende Mütter sind in Japan, wo sich unlängst über 51 Prozent in einer jährlichen Umfrage dafür aussprachen, dass die Mutter zuhause bei ihren Kindern bleiben und nicht arbeiten solle, weiter eine Seltenheit. Obwohl die Förderung von Frauen im Wahlkampf vor den Parlamentswahlen am 16. Dezember kein Thema war, scheint Abe bei seinem zweiten Anlauf als Premierminister nun gerade die Wähler ansprechen zu wollen, die nach der Fukushima-Krise Japans Politikern besonders kritisch gegenüberstehen: Frauen, speziell Mütter, die sich um ihre Kinder sorgen.
Als sich am Abend die 18 neu berufenen Minister an Abes Amtssitz einfanden, um zum traditionellen Foto im feinen Cutaway zu posieren - einer Kombination aus grauer Hose und schwarzer Jacke, die hinten bis zum Knie reicht -, standen daher zwei Frauen auf der Treppe. Für sie gibt es keine Kleidervorschriften. Die 48-jährige Masako Mori, Mutter von zwei Kindern, ist als Ministerin dafür zuständig, das Problem Japans schrumpfender und überalternder Gesellschaft anzugehen. Abe sagte, seine Regierung müsse "ein Umfeld schaffen, in dem sich Frauen sicher fühlen können, Kinder auf die Welt zu bringen". Die 53-jährige Tomomi Inada, eine Anwältin, ernannte er zur Ministerin für Verwaltungsreform.
Zwei Frauen in der Regierung
Zudem besetzte Abe zwei von drei Führungsposten in der LDP mit Frauen. Eine davon ist Noda, die wegen ihrer Blitzkarriere schon als Japans künftige erste Premierministerin gehandelt wurde. Die Leitung des Strategiegremiums liegt in den Händen der 51-jährigen Sanae Takaichi. Abe will damit auch demonstrieren, dass sich die konservative LDP, die Japan seit Ende des Zweiten Weltkriegs über fünfzig Jahre regierte, geändert hat. Das ist auch nötig. Denn sie war sie vor dem Regierungswechsel 2009 in der gleichen Situation wie die nun in die Opposition verbannten Demokraten (DPJ). Die Liberaldemokraten waren von den unzufriedenen Wählern mit einem massiven Stimmenentzug bestraft worden. Abe ist bewusst: Wenn es ihm nicht gelingt, das derzeit von der Opposition kontrollierte Oberhaus bei den Oberhauswahlen im Juli für sich zu gewinnen, könnte seine Amtszeit erneut kurz ausfallen und dies das Ende seiner Partei bedeuten.
Die Wähler hoffen vor allem darauf, dass er Japans schwächelnde Wirtschaft wiederbelebt und der Deflation ein Ende setzt. Seit sich Abes Wahl zum Premier abzeichnete, reagierten die Märkte positiv: Die Aktienkurse in Japan stiegen, während der Yen fiel.
Kein "Kabinett der Freunde"
Bei seinem neuen Kabinett achtete Abe darauf, nicht wieder ein "Kabinett der Freunde" zusammenzustellen. "Damals war ich noch jünger, war gerade erst 52 geworden, ich hatte meine Ideale, aber ich habe es übertrieben", gab Abe bei einer Pressekonferenz zu. Nun habe er auch Politiker berufen, die seine Ansichten nicht teilten, die er aber für sehr fähig halte.
Zu seinen Vernunftentscheidungen gehört unter anderem die Ernennung von drei seiner vier Rivalen um das Amt des Parteichefs auf Minister- oder Spitzenposten in der Partei. Nobuteru
Ishihara machte er zum Minister für Umwelt und Vorsorgemaßnahmen bei einem nuklearen Notfall, Yoshimasa Hayashi zum Minister für Minister für Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei und den zweiplatzierten Shigeru Ishiba zum Generalsekretär der LDP.
Dennoch: Eine ganze Reihe der Kabinettsmitglieder seien "aus dem rechten Flügel der LDP und enge Freunde von Abe", sagte Politik-Professor Koichi Nakano von der Tokioter Sophia-Universität. Das Kabinett sehe "ganz und gar nicht frisch aus". Als Stellvertreter und Finanzminister ernannte er seinen engen Freund Taro Aso. Der als Manga-Liebhaber bekannte Ex-Premier regierte von September 2008 bis zum jähen Absturz der LDP in die Opposition im August 2009.
Zu den alten Bekannten zählt auch Sarakazu Tanigaki, bis September 2012 Parteichef. Er wurde Justizminister. Der ehemalige Leiter des Wirtschaftsministeriums, Akira Amari, erhielt in das neue Amt des Ministers für die Revitalisierung der japanischen Wirtschaft. Toshimitsu Motegi ist als Wirtschaftsminister auch dafür zuständig, eine neue Energiepolitik zu formulieren. Auf den aktuell besonders kritischen Posten des Außenministers setzte er Fumio Kishida, der die Beziehungen zu China und Korea sowie zum Bündnispartner USA verbessern soll.
Zwar war Abes Bestätigung als Premier in der Oberhauswahl erwartet worden. Doch erst in der Stichwahl setzte er sich mit 107 zu 96 Stimmen gegen den neuen DPJ-Chef Banri Kaieda durch. Kaeida war am Vortag zum Nachfolger des zurückgetretenen Parteichefs und Premierministers Yoshihiko Noda gewählt worden. Er muss nun die Partei nach der Wahlschlappe wieder aufbauen. Ihr Ziel ist das gleiche wie das der LDP: der Gewinn der Oberhauswahlen im Juli 2013.