Der oberösterreichische Industrieautomationsspezialist B&R spielt im ABB-Konzern künftig eine zentrale Rolle.
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Wien. Nach der angekündigten Übernahme des oberösterreichischen Maschinen- und Fabrikautomationsspezialisten B&R durch den Schweizer Technologiekonzern ABB herrscht auf beiden Seiten Aufbruchsstimmung. "Unsere Mitarbeiter sind begeistert, künftig das Zentrum für Maschinen- und Fabrikautomation von ABB zu sein", sagt B&R-Geschäftsführer Hans Wimmer. Dass der Standort im Innviertler Eggelsberg ausgebaut werde und B&R helfe, eine Lücke im ABB-Portfolio zu schließen, sei großartig. Außerdem könne ein Wunsch der Gründer erfüllt werden: das Wachstum zu beschleunigen. Derzeit macht B&R einen Umsatz von rund 600 Millionen Dollar, mittelfristig will man als Teil der ABB-Gruppe auf eine Milliarde Dollar kommen.
Der Name B&R bleibt laut ABB-Chef Ulrich Spiesshofer bestehen: "Die Marke wurde über viele Jahre aufgebaut, das muss man erhalten." Dass der Standort in Eggelsberg bleibe, sei klar gewesen. "Wer den Standort dort sieht, ist begeistert", sagt Spiesshofer. Mitarbeiter und Führungskräfte wurden in den Übernahmeprozess eingebunden. Wimmer werde von dort aus für ABB im Bereich Maschinen- und Fabrikautomation "die Welt erobern".
Fokus auf Ausbildung
Neben dem Ausbau des Standorts liegt der Fokus auf Ausbildung. "Qualifizierte Mitarbeiter zu finden, ist eine Herausforderung", so Wimmer. Deshalb gehe man künftig noch intensiver zu den Ausbildungsstätten, aber auch zur Politik. "Wir haben bereits Regierungsvertreter getroffen. Wir sind bereit, bei der Ausbildung unsere Rolle zu spielen, aber wir brauchen auch Partner", sagt Spiesshofer. B&R kommt die Grenznähe zu Bayern zugute. Die technologisch hochwertigen Produkte ziehen Ingenieure geradezu an, heißt es.
ABB Österreich gerate durch den Zusammenschluss nicht unter Druck, im Gegenteil, sagt der Chef der Österreich-Tochter, Franz Chalupecky. "Wir freuen uns, dass hier stark investiert wird." Nicht nur für die Gruppe, auch für ABB Österreich sei dadurch eine Lücke geschlossen worden.
War ABB vorher in Robotik, Prozessautomation, Digitalisierung und Elektrifizierung stark, so konnte man im Bereich Maschinen- und Fabrikautomation nicht mithalten. "Der Baustein passt für uns genauso gut, die beiden Unternehmen werden sich gegenseitig beflügeln", sagt Chalupecky. Man könne nun Marktführer Siemens Österreich im Bereich Industrieautomation Paroli bieten. Er, Chalupecky, habe in den 24 Stunden nach Bekanntwerden des Deals 60 oder 70 SMS bekommen, Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun habe keine geschickt.
ABB will in den Bereich weiter investieren, um Siemens näher zu kommen. Restrukturierung oder Arbeitsplatzabbau wird es bei B&R laut Spiesshofer nicht geben, man will Kosten senken und Synergien nutzen, der Fokus liegt auf Wachstum. Organisches Wachstum habe Priorität, man werde in neue Märkte einsteigen und Akquisitionen tätigen. Man habe aber keinen Druck einzukaufen.
Treffen mit Mitterlehner
In einem Gespräch mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) führte die ABB-Führungsriege am Mittwoch auch Standortqualitäten Österreichs für die Entscheidung für B&R ins Treffen. Hervorgehoben wurde die gute Ausbildung von Fachkräften und Lehrlingen, die immer lebendiger werdende Start-up-Szene und die geplante Erhöhung der steuerlichen Forschungsprämie von 12 auf 14 Prozent. Auch beim Thema Arbeitszeitflexibilisierung sei man auf einer Linie.
Wie am Dienstag bekanntgegeben wurde, übernimmt ABB B&R zur Gänze. Mit Einwänden der Wettbewerbsbehörde wird nicht gerechnet. Das Closing, der rechtliche Vollzug der Übernahme, wird für den Sommer erwartet. Der Kaufpreis wird auf rund 1,8 Milliarden Euro geschätzt. B&R beschäftigt weltweit mehr als 3000 Mitarbeiter, davon rund zwei Drittel in Österreich, und erwirtschaftete 2015/16 mehr als 561 Millionen Euro Umsatz sowie einen operativen Gewinn von 70,35 Millionen Euro.
Der in Zürich ansässige Technologiekonzern ABB ist in den Bereichen Elektrifizierungsprodukte, Robotik und Antriebe, Industrieautomation und Stromnetze tätig, in mehr als 100 Ländern vertreten, beschäftigt rund 132.000 Leute und macht knapp 34 Milliarden Dollar Umsatz.
"Wiener Zeitung": Wie ist es zur Übernahme von B&R durch ABB gekommen?Ulrich Spiesshofer: Ich kenne die Gründer von B&R schon seit mehr als zehn Jahren, da hat sich eine professionelle und persönliche Beziehung entwickelt. Schließlich sind die Gespräche konkreter geworden. Bei einem Gründerunternehmen funktioniert das nicht so, dass ein großer Konzern kommt, eine Due-Diligence-Prüfung (eine vertiefte betriebswirtschaftliche Prüfung, Anm.) macht und ein Angebot auf den Tisch legt. Man muss das Unternehmen und dessen Geschichte verstehen und Wachstumspläne haben. Wir haben viele Wochenenden damit verbracht, das gemeinsam mit den Gründern weiter zu entwickeln.
Was hat Ihnen an B&R gefallen?
B&R ist extrem kunden- und mitarbeiterorientiert, es wird immer überlegt, wie der Kunde einen Mehrwert bekommt. Und es wird ständig die Produktpalette verbessert. 1000 von 3000 Leuten arbeiten in der Forschung und Entwicklung, das ist irrsinnig viel.
Wie profitieren die österreichischen Kunden durch den Deal?
Wir haben eine Angebotspalette, die kein anderer hat. Wer über eine neue Fabrik nachdenkt, der bekommt bei uns alles, was sich bewegt oder gesteuert werden muss. Dadurch wird eine höhere Synchronität und Produktivität erreicht.
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