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Mit dem Auto zum Nachbarn

Von Petra Tempfer

Politik

40 Prozent der Autofahrten sind nur bis zu fünf Kilometer lang und somit in Radfahrdistanz.


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Wien. Der Hauptverursacher der Treibhausgas-Emissionen ist der Verkehr. Etwa 23 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente wurden durch diesen 2016 laut Umweltbundesamt österreichweit in die Luft geblasen, insgesamt waren es rund 51Millionen Tonnen (ohne Emissionshandel). Mit einem Plus von 0,9 Millionen Tonnen war es ebenfalls der Verkehr, der von 2015 bis 2016 mengenmäßig am meisten zugelegt hat. Grundsätzlich steigen die Treibhausgas-Emissionen seit 2014 kontinuierlich an, nachdem sie davor neun Jahre lang zurückgegangen waren - die Klimaziele von Paris, wonach die Erwärmung bis 2100 innerhalb der EU unter zwei Grad Celsius gehalten werden muss, rücken somit in weite Ferne. Schon jetzt ist es in Österreich um fast zwei Grad wärmer als 1880.

Wichtige Punkte der am Dienstag von Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) präsentierten Energie- und Klimastrategie sind daher nicht nur der Ausbau der Elektromobilität und die Stärkung des öffentlichen Verkehrs, sondern auch die Verdoppelung des Radverkehrsanteils bis 2025 auf 13 Prozent. Dieses Ziel scheint leichter erreichbar als vielleicht gedacht: 40 Prozent der Autofahrten sind dem Verkehrsclub Österreich (VCÖ) zufolge in Radfahrdistanz, also nur bis zu fünf Kilometer lang. Jede fünfte Autofahrt ist kürzer als zweieinhalb Kilometer, vier von zehn Fahrten sind kürzer als fünf Kilometer.

Nur 24 Prozent der Alltagswege mit Rad oder zu Fuß erledigt

Aktuell werden jedoch laut VCÖ nur 24 Prozent der Alltagswege mit dem Rad oder zu Fuß erledigt. Und das, obwohl man mit dem Rad bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 Stundenkilometern für fünf Kilometer höchstens 20 Minuten braucht. Mit dem Auto ist man auch nicht unbedingt schneller. Legt man diese Distanz nämlich in der Stadt zurück und berechnet die Parkplatzsuche mit ein, kann diese Fahrt mitunter sogar länger dauern.

Im Sektor Raumwärme ist laut Ulla Rasmussen vom VCÖ bereits etwas gelungen, wovon man beim Verkehr noch weit entfernt ist: 1990 verursachten beide gleich viele Emissionen. Durch Umstellung der Heizsysteme und Dämmung sind jene der Raumwärme gesunken - heute sei der Verkehr für fast dreimal so viele Emissionen wie diese verantwortlich, so Rasmussen.

Der Österreicher scheint an seinem Auto zu hängen, wodurch die Verdoppelung des Radverkehrsanteils bis 2025 doch wieder schwierig wird. Einer Studie von Verkehrswissenschaftern der Technischen Universität Wien zufolge würden Autofahrer nicht einmal auf kostenlose öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. "Nur wer sich schon vorher umweltgerecht verhalten hat, würde auch dieses Angebot nutzen", sagt Projektleiter Günter Emberger. Gemeinsam mit zwei Mitarbeitern hat Emberger im Zuge eines FWF-Projektes zehn Jahre lang computerbasierte Simulationsmodelle entwickelt, die zur Abschätzung verkehrsrelevanter Entwicklungen dienen. Die Conclusio: Radfahrer und Fußgänger würden auf gratis Öffis umsteigen, weil das schneller und komfortabler sein kann - für Autofahrer gelte das jedoch nicht.

Das Auto ist freilich auch ein Stückchen Privatsphäre und ein Statussymbol, auf das viele nicht verzichten wollen. Der für die Erhöhung des Radverkehrsanteils nötige Ausbau der Infrastruktur verläuft daher nicht immer reibungsfrei - Radfahrer scheinen oft in direkter Konkurrenz zu Autofahrern zu stehen und jeden Radwegmeter erkämpfen zu müssen.

In Wien zum Beispiel, wo das Radverkehrsnetz rund 1380 Kilometer (eine Strecke länger als die zwischen Wien und Rom) umfasst, gibt es immer wieder Diskussionen, wenn es um den Ausbau des Radverkehrsnetzes geht. Zuletzt kritisierte der erste Bezirk die Pläne der Stadt, einen geplanten Radweg vor dem Künstlerhaus auf die Straße zu verlegen - auf Kosten eines Fahrstreifens für den Autoverkehr. Aktuell liegt hier der Anteil des Radverkehrs bei sieben und jener des Autoverkehrs bei 27 Prozent. 38 Prozent fahren mit den Öffis, 28 Prozent sind zu Fuß unterwegs. Vorarlberg ist österreichweit Vorreiter, hier liegt der Radverkehrsanteil schon jetzt bei 15 Prozent. Zum Vergleich: In Amsterdam beträgt dieser 53 Prozent.

Der Kfz-Bestand wächst jährlich um etwa zwei Prozent

Tatsache ist auch, dass der Kfz-Bestand jährlich um etwa zwei Prozent wächst. Mit Stichtag 28. Februar waren laut Statistik Austria rund 4,9 Millionen Autos angemeldet. Nur 0,3 Prozent seien Elektro- und 0,5 Prozent Hybridautos, ergänzt der VCÖ. Bei den Neuzulassungen liege der Anteil bei 1,5 respektive 2,3 Prozent, was im Vergleich zu den anderen EU-Mitgliedstaaten sogar relativ hoch ist. Damit sich ein Elektroauto von der Größe eines Tesla Model S ökologisch rechnet, müsste man einer Studie des schwedischen Umweltministeriums zufolge aber acht Jahre damit fahren, weil demnach bei der Herstellung der Batterie rund 17,5 Tonnen Kohlendioxid entstehen. Die Entsorgung der Batterie sowie die Stromerzeugung sind weitere Probleme.

Vor einigen Jahren ging die Aussage des Naturschutzbundes Deutschland durch die Medien, dass die 15 größten Schiffe die Luft ohnehin mehr als alle Autos der Welt zusammen verschmutzen. Damit sind jedoch die Schwefeloxide gemeint - am weltweiten Ausstoß des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid hat der Schiffsverkehr nur einen Anteil von drei, der Straßenverkehr indes von 17 Prozent. Schwefeloxide sind zwar ebenfalls schädlich, aber weniger relevant für Umwelt und Gesundheit.