Volksgruppen kämpfen mit der Demographie. | Vouk: BZÖ lenkt mit Ortstafeln von Problemen ab. | Wien. Österreich braucht ein neues Volksgruppengesetz. Das bestehende aus dem Jahr 1976 genügt heutigen Ansprüchen nicht mehr. Daher diskutierten am Donnerstag im Bundeskanzleramt Experten mögliche Auswege.
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Das Volksgruppengesetz dient dazu, den Erhalt der anerkannten angestammten Minderheiten in Österreich zu gewährleisten. Die heimischen Minderheiten leiden viel stärker als die deutschsprachige Mehrheit unter den negativen Folgen der aktuellen demographischen Entwicklung. Laut Alexander Hanika von der Statistik Austria ist etwa die Überalterung der Kärntner Slowenen viel weiter fortgeschritten. Der Anteil der über 65-Jährigen liegt hier bei 24,8 Prozent, in Kärnten insgesamt bei nur 16,3 Prozent. Seit 1971 ist die Zahl der Kärntner Slowenen um mehr als 26 Prozent auf 12.000 gesunken.
Angesichts dieser Entwicklungen ist es für Slowenen-Vertreter Rudolf Vouk "dringend notwendig, die Reform des Volksgruppengesetzes rasch durchzuführen, denn wenn man noch länger wartet, könnte es zu spät sein".
Vouk: Ortstafeln abzehn Prozent Slowenen
Einen gangbaren Weg sieht Vouk im Gesetzesvorschlag des Volksgruppenzentrums, der unter Mitarbeit von zahlreichen Experten, darunter Ex-Justizministerin Maria Berger oder der frühere Zweite Nationalratspräsident Heinrich Neisser, zustande gekommen ist.
Ein gerade für die Kärntner Slowenen wesentlicher Aspekt sind dabei die Ortstafeln. Diese sollen laut dem Vorschlag in Gemeinden aufgestellt werden, die seit 1951 eine slowenischsprachige Bevölkerung von durchschnittlich mehr als zehn Prozent aufweisen. Dagegen läuft das BZÖ Sturm: Von der Regelung seien Orte betroffen, wo es gar keine Kärntner Slowenen mehr gebe. "Nein, das passiert nicht", beruhigt Vouk im Interview mit der "Wiener Zeitung".
An der 10-Prozent-Klausel will der Slowenen-Vertreter allerdings festhalten. Diese sei vom Verfassungsgericht (VfGH) in insgesamt 18 Erkenntnissen festgestellt worden, "das ist geltendes Recht". Auch den langen Durchrechnungszeitraum will er beibehalten, "schließlich gilt der Staatsvertrag seit 1955 und nicht erst seit 2009".
Mit dieser Regelung will sich das BZÖ jedoch nicht abfinden. Das Bündnis fordert die Rückkehr zu der von Bruno Kreisky festgelegten 25-Prozent-Grenze. Andernfalls könnte es zu einem neuen Ortstafelsturm kommen, warnte jüngst der Kärntner BZÖ-Obmann Uwe Scheuch - eine Warnung wie eine Drohung. Die seinerzeit im Volksgruppengesetz festgelegten 25 Prozent wurden übrigens 2001 vom VfGH aufgehoben.
Korinek: "Rechtsstaat wird missachtet"
Der Streit um die Ortstafeln gleicht einer unendlichen Geschichte. Dass es nach Jahren und Jahrzehnten noch immer keine befriedigende Lösung gibt, liege daran, dass "der Rechtsstaat bewusst und zielgerichtet missachtet wird", hatte der frühere VfGH-Präsident Karl Korinek erst am Mittwoch erklärt. Eine Meinung, die der Jurist Vouk teilt. "Die Diskussion wäre schon lange beendet, wenn eine Selbstverständlichkeit beachtet worden wäre: Dass ein Erkenntnis eines Höchstgerichts zu akzeptieren ist."
Vouk glaubt an eine Lösung, allerdings nicht mit dem BZÖ. Die Ortstafelfrage sei das einzige, womit die Orangen Stimmung machen könnten - und von den wirtschaftlichen Problemen des Landes ablenken könnten. Aber eines sei schon lange klar: "Wenn man eine Lösung haben will, muss man sie ohne das BZÖ machen."
Wissen
Das Volksgruppengesetz vom 7. Juli 1976 definiert den Status der sechs anerkannten Volksgruppen österreichischer Staatsbürger nichtdeutscher Muttersprache. Durch das Gesetz sollen auch Erhalt der Volksgruppen und die Sicherung ihres Bestandes gewährleistet werden, etwa durch Volksgruppenbeiräte, Fördermaßnahmen, zweisprachige topographische Bezeichnungen (Ortstafeln) und der Einführung der nichtdeutschen Amtssprachen.