Immer klarer wird, dass die Kirche bei uns de facto geteilt ist. Deshalb sind die (berechtigten?) Erwartungen an den neuen Papst so verschieden.
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Erstaunlich, wie viele Freunde die römische Kirche auf einmal hat! Nach der Demission Papst Benedikts und vor der Wahl des Nachfolgers melden sie sich. Woran es der Kirche mangle und wer als Nachfolger geeignet sei, wird detailliert verhandelt. Nicht nur Kircheninterne sind dabei, auch Fernstehende melden sich zu Wort. Das soll so sein, doch leidet die Diskussion an einer verengten Wahrnehmung von Problemlage und Lösungsweg. Ad nauseam und auch jetzt wiederholt die Reformpartei die bekannten Forderungen nach einem Ende des "römischen Zentralismus", Ende des Zölibats und Zulassung von Frauen zum Weiheamt. Der neue Papst sei gut beraten, dies alles umzusetzen. Man spricht von "verlorener Zeit" in den 35 Jahren der Pontifikate von Johannes Paul II. und Benedikt XVI.
Zwei Gedanken dazu: Sieht man einmal von der theologischen Berechtigung der Anliegen ab - die hier nicht diskutiert werden soll -, muss nüchtern gesagt werden, dass diese Punkte weder auf ganz Europa noch gar auf die Weltkirche bezogen die gleiche Relevanz haben, wie deren Vermarktung bei uns nahelegt. Und ist es wirklich so, dass die "Reizthemen" bei uns im Land stetig präsent sind? Der Verfasser dieser Zeilen, jede Woche als "Pfarr-Aushelfer" unterwegs, kann das nicht bestätigen. Und das Zweite: Wie kommen die "Reformer" in den deutschsprachigen Ländern, in denen (um es einmal faktenorientiert auszudrücken) die Zahlen seit Jahren nach unten weisen, darauf, die richtigen Rezepte parat zu haben, am Ende auch für andere? Wäre die Kirche ein Unternehmen, würde man so auftretenden Sprechern einer Defizit-Region sagen: Macht erst einmal eure Hausaufgaben, seht zu, dass ihr wieder Anschluss gewinnt, und bis dahin haltet euch mit Ratschlägen oder Forderungen zurück! (Ja, für manche ist diese Sicht eine Zumutung.)
Wie lässt sich nun dieses verwirrende Bild mit dem anstehenden Konklave in Verbindung setzen? Immer klarer wird, dass die Kirche bei uns de facto geteilt ist. Zahlenmäßig nicht vielen, aber lautstarken "Reform"-Gemeinden steht ein Gros an "normal" katholischen Pfarren gegenüber - die Erwartungen an einen künftigen Papst sind also durchaus verschieden. Einigen würde man sich wohl darauf, dass die Frage nach der Herkunft des neuen Oberhauptes zweitrangig ist. Auch das "Muss" einer Kurienreform wird nicht bestritten. Fraglich ist, ob die von Papst Benedikt XVI. klar vertretene Position, den Ansprüchen des Glaubens Vorrang einzuräumen vor kirchlichen Strukturfragen, bei uns eine Mehrheit fände. Ziemlich sicher wird aber der Nachfolger des Zurückgetretenen genau da weitermachen, wo Benedikt XVI. aufhörte: nämlich schlicht Gott, Christus, wieder in den Focus des Denkens und Tuns zu rücken. Die Progressiven werden enttäuscht sein; auch künftig wird sich die katholische Kirche evolutionär und nicht revolutionär verändern. Ihnen sei gesagt: Am Ende ist es nicht ein Mensch, der die Kirche Gottes lenkt. Noch jeder Papst hat sich als Werkzeug göttlichen Willens verstanden. Und der äußert sich anders, als es das Flügeldenken für sinnvoll und erlaubt hält.