Im Umgang mit Nordkorea sollten die USA auf alles gefasst sein. | Die große Schwierigkeit liegt in der Unberechenbarkeit des Regimes.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Strategische Geduld", so wird die Haltung der US-Regierung Nordkorea gegenüber bezeichnet. Eine treffendere Einschätzung wäre: Scheitern. Seit vier Jahren drohen die USA Nordkorea und umwerben es - ohne sichtbare Wirkung. Das sieht ganz nach Scheitern aus: Seit US-Präsident Barack Obama im Amt ist, hat Nordkorea mehrere Raketen- und zwei Atomwaffentests durchgeführt. Auf Versuche, das Regime zur Rechenschaft zu ziehen, reagiert es mit noch mehr Unberechenbarkeit. Die jüngsten verwegenen Aktionen sind die Aufhebung des seit 60 Jahren bestehenden Waffenstillstands mit Südkorea und das Kappen des heißen Drahts zu den US-Streitkräften im Süden.
Wie geht es weiter? Leider das einzig Vorhersehbare bei Nordkorea die Streitsucht. Seit 1992 hat das Regime auf jede Wahl eines südkoreanischen Präsidenten mit Gewalt reagiert, sagt Korea-Experte Victor Cha vom "Center for Strategic and International Studies".
Was passiert, wenn die Diplomatie scheitert? Das ist das beunruhigendste Problem internationaler Beziehungen. Wie soll die internationale Gemeinschaft reagieren? Wenn die Geduld endet, welche politischen Möglichkeiten gibt es?
Tom Donilon, nationaler Sicherheitsberater der USA, hat in seiner Rede vor der Asien-Gesellschaft ungewöhnlich harte Worte gefunden: "Die USA werden Nordkorea als Atommacht nicht akzeptieren. Sie werden auch nicht zusehen, wie Nordkorea an Atomwaffen-Raketen arbeitet." Was soll das heißen? Nordkorea ist eine Atommacht und arbeitet an Raketen, die auch die USA treffen können. "Nordkorea wird die Richtung ändern müssen", beharrte Donilon, sonst müsse es mit noch mehr Sanktionen und neuen Verteidigungsschritten der USA rechnen. Was aber, wenn Nordkorea nicht nachgibt? Das würde unter anderem zu aggressiverer Verteidigungspolitik Südkoreas und Japans und einer komplizierteren Sicherheitslage in Asien führen.
Das Nordkorea-Problem ist so bedrohlich, weil das Regime immer unbeständiger wird. Kim Jong-un, als Nachfolger seines Vaters Kim Jong-il seit Dezember 2011 im Amt, ist laut Einschätzung einiger US-Beobachter noch unberechenbarer und herausfordernder als sein Vater. Einige Langzeitbeobachter Koreas meinen, Kim rassle mit den Säbeln, um Aufmerksamkeit zu bekommen - und Washington sollte ihm diese geben. "Auch wenn wir in einer Sackgasse sind, muss es Gespräche geben", sagt Joseph DeTrani, ein früherer Sondergesandter für Verhandlungen mit Nordkorea.
Wenn ein Staat an Atomwaffen arbeitet, die auch die USA treffen könnten, und wenn die Parteizeitung dieses Staates auf Sanktionen mit einem Ruf nach einem "endgültigen Entscheidungskampf" reagiert, brauchen die USA Möglichkeiten jenseits der Diplomatie und die Androhung weiterer UN-Sanktionen. Daher ist es beruhigend, dass die US-Navy im Pazifik Abwehrflugkörper in Stellung bringt und die USA unter Wasser derart dominant sind, dass sie es mit jedem Gegner in Asien augenblicklich aufnehmen könnten. Auf Nordkoreas Zurückhaltung zu setzen, hat sich nicht bewährt. Es könnte klüger sein, das Schlimmste anzunehmen und sich darauf vorzubereiten.
Übersetzung: Redaktion
Originalfassung "N. Korea and the price of patience"