Leben in Städten weckt Sehnsucht nach Authentischem. | Berge für Urlauber wie eine Kulisse inszenieren. | Innsbruck. Die Alpenregion droht im weltweiten Wettbewerb mit Sonne, Strand und Meer Marktanteile zu verlieren. "Die Tourismusdestination Alpen stagniert seit 15 Jahren, daher muss das Produkt verjüngt werden", sagte Hubert Siller, Leiter des Management Center Innsbruck (MCI), bei der Lobbyingveranstaltung zur Förderung des Alpentourismus "theAlps".
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Eine gemeinsame Initiative der bisher konkurrierenden Tourismusregionen in den Alpen soll den Marktanteil von derzeit vier Prozent an den weltweiten Nächtigungen erhöhen. Im Jahr 2008 wurden in der Alpenregion 375,5 Millionen Nächtigungen gezählt, davon rund 100 Millionen in Österreich, so Siller. Innerhalb der EU entfallen 16 Prozent der Nächtigungen auf die Alpenregion.
"Die Herausforderungen können zersplittert nicht bewältigt werden", meint Heinz Zourek, Generaldirektor für Unternehmen und Industrie der Europäischen Kommission.
Vor allem in den Kernmärkten in Europa, aber auch in Asien und Übersee wollen Touristiker aus Österreich, Deutschland, Italien, Liechtenstein und der Schweiz die Marke Alpen gemeinsam vermarkten und sich gemeinsam auf Messen präsentieren - etwa auf der neuen "theAlps"Messe, die im Juni 2011 zum ersten Mal in Innsbruck stattfinden wird. Damit soll das Kirchturmdenken ein Ende haben. Die größte Tourismusregion der Alpen, Rhône-Alpes, war beim Schulterschluss der Regionen allerdings nicht dabei - "weil die Netzwerke nach Frankreich noch fehlen", erklärte Josef Margreiter, Geschäftsführer der Tirol Werbung.
Klein, reich, sicher, kühl
Gute Chancen für die Vermarktung der Alpen sieht David Bosshart, Chef des Gottlieb Duttweiler Institutes für Wirtschaft und Gesellschaft in der Schweiz: Weil immer mehr Menschen in Städten wohnen und sich dadurch der Alltag von der Natur entfernt, werde die Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, Authentischen und Romantischen geweckt. Dieses nostalgische Bedürfnis werde durch Alpenmythen gut bedient.
Eine Erfolgsstrategie sei, die Gegentrends zu Geld zu machen. Bodenständigkeit wird in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen, glaubt Bosshart: "Die Attribute klein, reich, sicher und kühl werden erstrebenswert."
Da die Sommer zunehmend länger und heißer werden, müssten die Alpen ihre Position als Lebensqualitätsführer ausbauen. "Der Sommertourismus nimmt gegenüber dem Wintertourismus an Bedeutung zu", sagt Bosshart. Hier sieht Siller Nachholbedarf: "Die meisten Destinationen in den Alpen werden mit der Wintersaison verbunden. Eine starke Sommermarke fehlt aber." In Tirol, der Region mit der zweithöchsten Nächtigungszahl in den Alpen, in Salzburg und in Vorarlberg überwiegen die Nächtigungen im Winter. Kärnten ist hingegen eine Sommerdestination.
Keine gemeinsame Linie
"Die Marke Alpen ist wahrscheinlich die älteste touristische Marke der Welt", sagt Klaus Brandmeyer von der Brandmeyer Markenberatung in Hamburg. Die Klischees der ehrlichen Menschen und der schroffen Natur gelten bis heute.
Markenartikler wie Milka, Toblerone und die Biermarken Erdinger sowie Edelweiss bedienen sich der Alpen als Hintergrund, um Geborgenheit, Reinheit und Sicherheit zu vermitteln. "Es geht darum, Images wachzurufen, mit ihnen zu spielen und sie für seinen Zweck zu nutzen", sagt Brandmeyer.
Die Berge seien eine Kulisse, die man den Touristen bequemer zugänglich machen sollte. "Man kann Touristen nicht zu Bergsteigern zurückerziehen", sagt Brandmeyer. Zwar sollte die Vermarktung der Alpen mit der Zeit gehen, allerdings sollte der Kern der Marke bestehen bleiben, sonst gehe das Vertrauen in die Marke verloren.
Die Idee der gemeinsamen Vermarktung ist nicht neu: Die Werbegemeinschaft Alpine Tourist Comission (ATC) mit den Mitgliedsländern Österreich, Schweiz, Deutschland, Frankreich und Italien bewirbt seit mittlerweile mehr als 50 Jahren die Destination Alpen in Nordamerika als intaktes Naturparadies, kulturellen Raum und Traumdestination für Sportbegeisterte.
Zu einer neuen, zentralen Vermarktung der Marke Alpen haben sich die Regionen nun allerdings nicht durchringen können. Es gebe zwar den Wunsch nach einer gemeinsamen Werbelinie, geplant sei aber derzeit nichts, so Margreiter.