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Mit einem Fuß auf der Straße

Von Alexander Maurer

Politik
1800 Mieter sind im Gemeindebau jährlich von Zwangsräumungen betroffen.
© Moritz Ziegler/Wiener Zeitung

Ein von Wiener Wohnen eingesetztes Team aus Sozialarbeitern soll zukünftig bei drohenden Delogierungen vermitteln.


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Wien. Kein Dach über dem Kopf zu haben ist an und für sich schon ein schrecklicher Gedanke. Ist man auch noch krank, steht vor der Arbeitslosigkeit oder braucht Hilfe, ist der drohende Rauswurf aus der Wohnung die Spitze auf dem Berg an Problemen, die man allein scheinbar nicht bewältigen kann. Um Menschen im Gemeindebau in schwierigen Lebensumständen unter die Arme zu greifen und vor der Delogierung zu retten, hat Wiener Wohnen einen sozialen Wohnungssicherungs-Service ins Leben gerufen. Ein Team aus sieben Sozialarbeitern soll ab kommenden Februar von Wohnungsverlust bedrohte Mieter bei der Selbsthilfe unterstützen.

Von der Zwangsräumung seien im Gemeindebau unterschiedliche Personengruppen bedroht, erklärt Wohnbaustadtrat Michael Ludwig bei der Vorstellung des Programms am Mittwoch. "Das geht von Familien mit Kindern über Personen unter 25 Jahren bis hin zu armutsgefährdeten Pensionisten." Viele würden aus Angst und Scham bei einer Räumungsklage nicht reagieren und keine Hilfe suchen. Die neu gesetzte Maßnahme solle dazu dienen, "menschliches Elend zu vermeiden, Nachbarschaften zu stabilisieren und die Mieter zur Eigenverantwortung anzuregen", so der Wohnbaustadtrat weiter.

Vor allem Männersind betroffen

Von den zwischen 8000 und 10.000 Räumungsklagen, die Wiener Wohnen pro Jahr einreicht, kann bei etwa 90 Prozent doch noch eine Delogierung verhindert werden. "Wir bieten auch Unterstützungsmaßnahmen an. Wenn wir beispielsweise merken, dass Mietern in finanziellen Notlagen der Mietzins zu hoch ist, bieten wir ihnen an, in eine kleinere und günstigere Wohnung zu wechseln oder vereinbaren Ratenzahlungen", erklärt Karin Ramser, stellvertretende Direktorin von "Wiener Wohnen". Dennoch kommt es pro Jahr zu etwa 900 Wohnungsräumungen, von denen rund 1800 Mieter betroffen sind. Bei diesen handelt es sich laut Michael Ludwig überwiegend um Männer - sie machen fast zwei Drittel der Betroffenen aus. Im Schnitt sind jedoch nur knapp die Hälfte der Gemeindebaubewohner Männer.

Mit 87 Prozent sind vor allem Österreicher - die insgesamt gut vier Fünftel der Gemeindebaumieter ausmachen - gefährdet. "Die Zahlungsdisziplin bei Migranten ist hier relativ hoch, da sie aus ihren Herkunftsländern oft gewohnt sind, dass Mietrückstände schnell zu gravierenden Konsequenzen führen können", merkt Ludwig hierbei an. "Wenn Räumungsklagen ins Haus stehen, kommen die meisten Mieter von alleine zu uns und bitten uns um Hilfe. Mit dieser neuen Serviceleistung wollen wir auf diejenigen zugehen, die das nicht von sich aus tun", so Ramser - von der ersten Mahnung bis zur Delogierung vergeht gut ein Jahr.

Delogierungen kosten die Stadt 29,5 Millionen Euro jährlich

Hierbei werde auch im Vergleich zum privaten Wohnmarkt ein zweistufiges Verfahren eingeleitet. Nur, wenn eine Klage wegen Mietrückständen nicht fruchtet, wird die Räumungsklage gesondert eingereicht. Der scheinbar große Aufwand, den Wiener Wohnen tätigt, sei aber nicht nur der sozialen Verantwortung des städtischen Vermieters geschuldet, so Ramser. Denn Delogierungen kämen das Unternehmen teuer zu stehen. "Alles in allem kostet uns eine Zwangsräumung in etwa 32.700 Euro", erklärt Michael Ludwig. Das beinhalte neben den Mietrückständen, die im Schnitt 2300 Euro betragen, unter anderem auch die Renovierung in Mitleidenschaft gezogener Wohnungen und die Leerstandserhaltung, merkt Karin Ramser an. Räumungen kosten den städtischen Vermieter pro Jahr knapp 29,5 Millionen Euro. Auch für die Stadt zahle es sich aus, Delogierungen zu vermeiden. Denn der Allgemeinheit würden so zusätzliche Aufwendungen - wie für das Auffangen der nunmehr wohnungslosen Mieter in sozialen Einrichtungen - erspart bleiben.

"Natürlich können so nicht alle Delogierungen vermieden werden", kommentiert Michael Ludwig den sozialen Wohnungssicherungs-Service. Ein kleiner Teil der Räumungen sei unvermeidbar, wenn der Klage gesetzeswidrige Tatbestände wie beispielsweise Untervermietung zugrunde lägen. Trotzdem gibt er sich überzeugt, dass das Team die Zahl der Zwangsräumungen stark sinken lassen kann. Das Projekt kostet inklusive Einrichtung 700.000 Euro im ersten Jahr. "Bei der dreiundzwanzigsten erfolgreich abgewendeten Zwangsräumung hat sich der Service dann bereits amortisiert", rechnet Ludwig vor.

Brückenschlag zwischenMietern und Wohnpartnern

"Wir werden uns auf jene Leute fokussieren, die sich überhaupt nicht rühren, wenn sie eine Räumungsklage erhalten", erklärt Uwe Hilfrich, Leiter des sozialen Wohnungssicherungs-Service, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Bei der persönlichen Kontaktaufnahme gehe es vor allem darum, ihre individuellen Situationen zu analysieren und dann herauszufinden, an welche Stellen innerhalb der Stadtverwaltung man die Mieter zur Hilfe weiterleiten könne. Hilfrich sieht sein Team dabei als Brückenschlag zwischen den Mietern und den Wohnpartnern. "Wir sind kein Mediator, das ist die Aufgabe der Wohnpartner, die dafür auch speziell ausgebildet sind", betont er.

Neben finanziellen Schwierigkeiten passiere es auch oft, dass Mieter aufgrund von emotionalen Krisen oder Erkrankungen wie dem Messie-Syndrom oder Demenz nicht mehr in der Lage seien, sich um ihre Wohnung zu kümmern. "Gerade hier wollen wir vermeiden, dass es zu einer Zwangsräumung kommt. Oft bedarf es dann auch der Überführung in eine betreuende Einrichtung oder der Anstellung einer Wohnungshilfe. Man muss die Leute dann auch wirklich begleiten und nicht allein stehen lassen", so Uwe Hilfrich.