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Mit einem Stups zum Nobelpreis

Von Thomas Seifert

Wirtschaft

Die Berücksichtigung des menschlichen Faktors brachte Richard H. Thaler den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.


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Wien. Ein paar Kilo abnehmen, mit dem Rauchen aufhören, mehr Sport, mehr Freizeit, mehr Bildung und Kulturgenuss, mehr Zeit für die Liebsten und Freunde. Viele gute Vorsätze. Doch wie jeder Besitzer eines Fitnessstudios weiß, strömen die Trainingswütigen im Jänner top-motiviert zu den Gewichten und Geräten, im Dezember ist von diesen Gute-Vorsatz-Athleten dann doch nur mehr ein Grüppchen übrig. Und nur, weil man eine Jahreskarte für das naturhistorische Museum (kostet nur 27 Euro) oder einen Entlehnausweis für die städtischen Büchereien (kostet in Wien nur 24 Euro) hat, heißt das nicht, dass man diese Orte auch aufsucht und deren Angebot nutzt. C’est la vie.

Aber vielleicht hilft ja ein kleiner Stups? Neo-Nobelpreisträger Richard H. Thaler schrieb gemeinsam mit seinem Kollegen Cass Sunstein im ihrem 2008 erschienenen Buch "Nudge", was man tun kann, um den Vorsatz, ein paar Kilo loszuwerden, zu realisieren. Beim Buffet, so schreiben die beiden, sollte das Obst ganz vorne präsentiert werden, Süßspeisen hingegen so, dass man sich über das Obst beugen muss, um an Sachertorten-Stückchen oder Donuts zu kommen. Man muss nur die Bequemlichkeit des Homo sapiens sapiens ausnützen - dann so weise, wie die Artbezeichnung für den Menschen - Homo sapiens sapiens - vermuten ließe, ist die Krone der Evolution gar nicht.

Menschen sind eben auch nur Menschen. Die Ökonomie müsse das berücksichtigen, sagte Thaler bei seinem Telefonat mit der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften am Montag.

Der Homo oeconomicus, der dem rational choice-Modell folgend wie ein wandelnder Taschenrechner stets kalkuliert und optimiert und sich dann für die beste Lösung entscheidet, ist eine Chimäre einer bestimmten Sorte von Ökonomen. Richard Thaler hat mit diesem Bild des Menschen als ökonomischen Handlungsträger aufgeräumt und der sogenannten Verhaltensökonomie eine Stimme gegeben.

"So doof wie ich"

Thaler, Professor an der Universität von Chicago, ist - nach einer im "Guardian" wiedergegebenen Selbsteinschätzung - ein wenig faul, neigt zum Verschieben von Dingen, die eigentlich anzupacken wären und mag auch ganz gerne mal einen Drink. Aber aus dieser Selbsterkenntnis heraus versucht Thaler den Mensch zu verstehen, wie er wirklich ist: Mit seinen Schwächen, mit seiner Irrationalität und Idiosynkrasie. Im Buch des Gründers des progressiven Polit-Magazins "American Prospect", Robert Kuttner: "Everything for Sale: The Virtues and Limits of Markets", zitiert Kuttner einen Disput zwischen Thaler und dem orthodoxen Ökonomen Robert Barro. Thaler habe dabei gesagt, der Unterschied zwischen dem Orthodoxen und seinem Modell würde darin bestehen, dass "die Akteure in seinem (Barros, Anm.) Modell sich so schlau verhalten wie er, die Akteure in meinem Modell (Thalers, Anm.) sind hingegen so doof wie ich." Thaler ist ein Mann mit Humor, das hat sich auch bei seinem Gespräch mit dem Preis Komitee gezeigt: Nach dem Preisgeld von umgerechnet rund 940.000 Euro gefragt, sagte Thaler, er werde "versuchen, es so unvernünftig wie möglich auszugeben". Einer breiten Öffentlichkeit ist Thaler im Hollywood-Film über die Wirtschaftskrise von 2008, "The big short" bekannt geworden, in dem er sich selbst spielte.

"Libertärer Paternalismus"

Schon seit einigen Jahren interessiert sich die Politik für die Erkenntnisse Thalers: Sie interessieren sich vor allem für das Konzept des "libertärer Paternalismus"- in Großbritannien richtete die Regierung des Konservativen Premiers David Cameron das "Behavioural Insights Team" ein. In einem Experiment erhielt eine Gruppe von Bürgern mit der Erinnerung an ihre Steuererklärung einen Beibrief, in dem erklärt wurde, was mit dem Steuergeld geschieht - das Resultat waren höhere Steuereinnahmen. Auch der frühere US-Präsident Barack Obama war ein Anhänger der Nudge-Theorie. Bürger sollen mit "Nudging" in die erwünschte Richtung gelenkt anstatt par ordre du mufti zu Befehlsempfängern zu werden. So ein Stups soll manchmal Wunder wirken.