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Mit "Eis"-Automaten gegen kalte Progression

Von Clemens Neuhold

Politik

ÖVP will die versteckte Steuererhöhung beenden. Über die Wahl der Mittel kündigt sich schon jetzt ein Streit mit der SPÖ an.


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Wien. (neu) Da ist er wieder. Der Automat. Er ist immer dann gefragt, wenn die Politik es nicht schafft, langfristig Politik zu machen. Im aktuellen Fall soll eine Automatik die Steuerreform langfristig absichern, so will es Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) machen.

Kalte Enteignung durch den Staat

Die Steuerreform bringt den Bürgern und Selbstständigen des Landes zwar rund fünf Milliarden Euro mehr im Börsel. Doch durch die Hintertür werden die Steuern wieder erhöht - durch die kalte Progression. Sie schlägt dann zu, wenn Steuerzahler in die nächste Steuerstufe rutschen. Das passiert schon alleine wegen der Anpassung der Gehälter an die Teuerung. Rund 400 Millionen Euro jährlich holt sich der Staat auf diese Weise wieder zurück.

Die FPÖ rechnet vor, dass die neue Steuerreform lediglich die alte, kalte Progression seit 2009 kompensiert. Durch einen Automatismus würden die Entlastungen der aktuellen Steuerreform "dauerhaft" in Höhe von 5,2 Mrd. Euro pro Jahr erhalten bleiben, so Schelling. Wie der Automat aussehen soll, der die Steuerstufen nach oben anpasst, will er mit der SPÖ im nächsten Jahr erarbeiten.

"Wir sind jederzeit zu konstruktiven Gesprächen mit der ÖVP bereit, um hier Nägel mit Köpfen zu machen", reagierte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid. Einen Automatismus lehnt er aber ab. "Wie die Anpassung genau zu erfolgen hat, sollte aber politische Entscheidung bleiben, damit ein Spielraum für sozial ausgewogene Lösungen vorhanden ist", erklärte Schmid. Einen Automatismus sollte es nur für den Fall geben, dass keine politische Einigung erreicht werden kann. Dann sollte eine vorher gesetzlich festgesetzte Lösung in Kraft treten.

Faymann: "Automat ist eiskalt"

Das erinnert an den Streit um den Pensions-Automaten. Die ÖVP will das Pensionsantrittsalter automatisch an die Lebenserwartung anpassen. Die SPÖ war unter SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer und dem roten Sozialminister Erwin Buchinger kurz offen dafür, doch beide waren bald Geschichte. Gusenbauer-Nachfolger Werner Faymann spricht sich seither klar gegen einen "eiskalten Automaten" aus.

Wie schwer der Kampf gegen die kalte Progression ist, zeigt ein Blick nach Deutschland. Die Koalition aus CDU/CSU und SPD verspricht schon seit Jahren, Schluss zu machen mit der kalten Progression. Bisher blieb es aber bei Absichtserklärungen, obwohl es den Deutschen wirtschaftlich derzeit besser geht als den Österreichern. Die Steuereinnahmen sprudeln. Im Mai hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deswegen erneut versprochen, zusätzlich erwartete Steuereinnahmen in den kommenden Jahren zu verwenden, um die "Kalte Progression" zu eliminieren. Auch Schäuble plant einen "Mechanismus". Sein österreichischer Amtskollege Schelling will den deutschen Weg genau studieren.

Öffentlicher Druck durch jährlichen Bericht

Peter Brandner vom Think Tank "Weis[s]e Wirtschaft" hat die kalte Progression untersucht. Er schlägt als ersten Schritt einen jährlichen Bericht des Budgetdienstes an das Parlament vor. Das würde den öffentlichen Druck auf eine dauerhafte Lösung erhöhen. Er weist darauf hin, dass bereits 18 von 30 westlichen Industrieländern die kalte Progression automatisch abmildern oder vermeiden. Berichte, wonach die kalte Progression die Steuerentlastung bis 2019 eliminiert, hält er für überzogen.