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Mit Energie zurück zu altem Stolz

Von Georg Friesenbichler

Analysen
Hinter großen Zäunen werden die Führer der G-8 im Konstantin-Palast nahe St. Petersburg beraten. Foto: ap

Russland kehrt sich vom Westen ab. | Energiesektor als großer Trumpf. | "Russlands Führer haben es aufgegeben, Teil des Westens werden zu wollen, und haben damit begonnen, ihr eigenes, Moskau-zentriertes System zu bauen." So analysiert Dmitri Trenin vom Carnegie Moscow Center, einer US-Denkfabrik, den gegenwärtigen Zustand des Landes, das am Wochenende erstmals das Treffen der acht größten Industrieländer beherbergt.


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Vor vier Jahren beurteilten die Führer der westlichen Welt die Lage noch anders. Im kanadischen Kananaskis wurde beschlossen, dass Russland 2006 den G-8 vorstehen und ihren alljährlichen Gipfel veranstalten soll. Dies wurde mit "der bemerkenswerten wirtschaftlichen und demokratischen Wandlung in Russland in den letzten Jahren und vor allem unter der Führung Präsident Wladimir Putins" begründet.

Im Februar 2006 sprachen sich in den USA indessen die Senatoren John McCain (Republikaner) und Joe Lieberman (Demokraten) dafür aus, Russlands seit 1998 bestehende Mitgliedschaft in den G-8 zu suspendieren. US-Vizepräsident Dick Cheney setzte Anfang Mai im litauischen Vilnius noch eins drauf und kritisierte, dass "Öl und Gas zu Instrumenten der Einschüchterung oder Erpressung" gemacht würden. In der Moskauer Presse wurde diese Rede schon als eine Neuauflage des Kalten Krieges interpretiert.

Cheney gehört bekanntlich zu den Hardlinern der amerikanischen Politik. Die Sorgen um die demokratische Entwicklung Russlands wird allerdings von vielen, auch von europäischen Staaten, geteilt. Putin gab sich daher im Gipfel-Vorfeld betont moderat. Er stellte Nicht-Regierungsorganisationen Änderungen in einem Gesetz in Aussicht, dass derzeit ihre Handlungsfähigkeit stark einschränkt. Er sprach sich außerdem dafür aus, der Opposition Raum zur Meinungsäußerung zu geben.

Die Fakten sprechen bisher eine andere Sprache. Im Parlament, der Duma, ist die Opposition kaum noch vertreten. Im staatlichen TV berichten die Nachrichten zu 90 Prozent über den Präsidenten; auch in den übrigen Medien dominiert die Kreml-Berichterstattung, wenn auch nicht so einseitig positiv gefärbt, ergibt eine neue Studie.

Die Kreml-freundlichen Medien sind aber nicht der einzige Grund, warum die meisten Russen eine gute Meinung von Putin haben. Er brachte nach der Regierungszeit von Boris Jelzin, dessen unvorbereitete und schrankenlose Einführung des Kapitalismus das Land in eine schwere Krise stürzte, tatsächlich stabilere Verhältnisse zustande. Die Wirtschaft verzeichnete Wachstumsraten von rund sechs Prozent.

Gegen Bevormundung

Auch in den Köpfen bewirkte Putin durch seine Reminiszenzen an vergangene Größe, dass die Bürger ihrem Land wieder positiv gegenüber stehen. Der Präsident ist wohl mit seinem Volk einig darüber, dass man mit den Großen dieser Welt auf Augenhöhe verhandeln muss.

Bevormundung von außen, sei es bei Demokratie oder anderen strittigen Themen, ist daher unerwünscht. Das wieder erlangte Selbstbewusstsein lässt sich umso leichter demonstrieren, als es auf massiver wirtschaftlicher Stärke im Energiesektor beruht. Vor allem die Europäer, deren Öl- und Gasversorgung zu einem Gutteil von Russland abhängt, können sich keine scharfen Töne erlauben. Die USA, die diese Abhängigkeit nicht kennen, brauchen wiederum Russlands Mitarbeit etwa beim Iran-Konflikt. Energie und nicht Demokratie wird denn auch ein Hauptthema beim G-8-Gipfel sein.