Die Uniklinik Regensburg entwickelt ein vielfältig einsetzbares Verfahren zur Abtötung von Bakterien.
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Regensburg. Jedes Jahr infizieren sich zahlreiche Menschen mit Krankenhauskeimen, etliche sterben sogar daran. Das Hauptproblem sind sogenannte multiresistente Keime. Bei einer Infektion mit solchen Erregern können auch große Mengen Antibiotika nur wenig oder gar nichts mehr ausrichten. Ein Wissenschaftsteam von Chemikern, Biologen und Physikern der Universität und des Universitätsklinikum Regensburg hat jetzt ein Verfahren entwickelt, das den Keimbefall von Menschen, Lebensmitteln und Tieren erheblich reduzieren kann.
Der Clou an der Methode: Sie braucht nur ein paar speziell entwickelte Farbstoffe und Licht. Die Technologie dahinter heißt Photodynamik. Sie macht sich die Eigenschaft bestimmter Farbstoffe zunutze, die, wenn sie mit Licht bestrahlt werden, einen Teil der Energie auf den umliegenden Sauerstoff übertragen und ihn in Singulett-Sauerstoff umwandeln. Mit diesem aktiven Oxidans können Ärzte gezielt Keime bekämpfen und damit eine Alternative zu Antibiotika bieten, die gerade gegen multiresistente Keime wesentlich wirksamer ist.: "Antibiotika funktionieren immer nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip", erklärt der Leiter des Regensburger Forscherteams Wolfgang Bäumler. "Passt sich der Erreger an, funktioniert der Schlüssel nicht mehr und genau das passiert in letzter Zeit", so der Physiker. "Mit der Photodynamik können wir Keime unabhängig von Resistenzen abtöten und damit zudem der Resistenzentwicklung vorbeugen."
Milde Bleiche
Das Verfahren funktioniert denkbar einfach: Die meist von der Natur abgeschauten Farbmoleküle wandeln den umgebenen Luftsauerstoff in seine reaktivere Variante, den sogenannten Singulett-Sauerstoff um, wenn sie mit Licht bestrahlt werden. Je nachdem, wie schnell die Desinfektion erfolgen soll, lassen die Forscher entweder künstliches sichtbares Licht, wie beispielsweise von LEDs oder Neonröhren, oder Tageslicht auf die farbstoffbeladenen Keime einwirken. "Dieser aktive Sauerstoff oxidiert dann viele kleine Löcher in die Keime, bis die Zellen absterben. Das funktioniert ähnlich wie mit einem Bleichmittel, nur viel milder", erklärt der Chemiker des Teams, Andreas Späth. Er sieht gerade für die Anwendung der Farbstoffe auf technischen Oberflächen einen Markt für seine Farbstoffe. In Lacken gebunden können sie eine dauerhaft antimikrobiell wirkende Oberfläche bilden.
Schon jetzt kooperieren die Regensburger mit Lack-Herstellern. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig: "Türgriffe, öffentliche Terminals, schnurlose Telefone in Kliniken, Lichtschalter oder Medizingeräte, eben all die Oberflächen an denen sich jeder im öffentlichen Leben oder im Haushalt oder eben Patienten oder Besucher in Krankenhäusern infizieren können, da viele verschiedene Leute sie berühren", sagt Späth. Zudem lassen sich die Farbstoffe biologisch abbauen. Einer ist sogar lebensmittelecht.
Deshalb denken die Forscher auch an eine Verwendung der Methode in der Lebensmittelbranche. Der lebensmittelechte Farbstoff könnte auf der Nahrung verbleiben. Auch wäre die Methode hervorragend für die Verpackungsentkeimung geeignet: Aufsprühen, belichten, fertig! Das hat eine enorme Senkung des Gefährdungspotenzials für den Hersteller zur Folge, da nur sichtbares Licht und ungiftiger Farbstoff verwendet werden.
Das interessanteste Anwendungsgebiet der Methode ist aber sicherlich die signifikante Senkung der Keimlast von Patienten und Personal in Krankenhäusern: "Ziel ist das Drücken der Keimlast, beispielsweise bei den hochgefährlichen MRSA-Keimen, auf ein Niveau, das das Immunsystem des Körpers noch gut bewältigen kann", erklärt Bäumler. "Also keine absolute Keimfreiheit, da die Hautflora nicht gestört werden sollte. Dabei ist es von Vorteil das unsere Photosensibilisatoren ungiftig, geruchsneutral und hautschonend sind. Sie trocknen die Haut nicht aus, wie das derzeit meistens verwendete Isopropanol, und ,brennen‘ nicht, die Methode kann auch auf Schleimhäuten angewendet werden."
Einsatz in der Tierhaltung
Die Zukunftsvision der Regensburger Forscher wäre den ganzen Körper des Patienten mit einem ihrer unsichtbaren Farbstoffe zu besprühen und ihn dann in einer Lichtkabine zu mit sichtbarem Licht zu bestrahlen, wodurch der photodynamische Prozess die Keimlast drückt. Die Lichtkabine ist bereits in der Entwicklung.
Ähnlich wie beim Menschen, planen die Regensburger, das Verfahren auch in der Tierhaltung einzusetzen. Hier könnten die Ferkel zum Beispiel bei jedem Umstallen besprüht werden und dann durch einen Lichttunnel laufen. Da es natürlich eine reine Oberflächenmethode ist, kann damit die Antibiotikagabe in der Tierhaltung nicht völlig gestoppt, aber doch erheblich gesenkt werden. Dadurch würde Fleisch gesünder und sicherer für den Verbraucher und kostensparender für den Züchter. Doch das ist noch Zukunftsmusik.
Um eine Zulassung zu bekommen, müssen auch die Zulassungsbehörden die Farbstoffe noch toxikologisch testen. Erst dann können die Regensburger sie bei Menschen, Tieren und Lebensmitteln anwenden.