Chinesische Regionen liegen bei Bildungsstudie vorne. Das dortige Bildungssystem kann dennoch nur sehr beschränkt als vorbildhaft gelten.
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Wien/Peking. Die Schüler in Fernost schneiden bei der Pisa-Studie heuer wie in den vergangenen Jahren am besten ab. Die Rangliste der besten Länder bzw. der besten Regionen im Haupttestfach Lesen wird von China angeführt - genauer gesagt von Peking, Shanghai, Jiangsu und Zhejiang noch vor Singapur. Auch in den Naturwissenschaften haben die Chinesen die Nase vorn, am deutlichsten ist diese Dominanz in Mathematik.
In Europa dominieren die traditionellen Pisa-Spitzenreiter Finnland und Estland. Die österreichischen Schüler sind in etwa so leistungsstark wie jene in Tschechien, den Niederlanden, der Schweiz und Russland.
Das Geheimnis der chinesischen Mathematik-Genies ist einfach erklärt: Bildungsexperten verweisen auf den enormen Druck, der auf Schüler in Fernost ausgeübt wird. Wenn ein Kind etwa in Shanghai etwas nicht versteht, dann hat es sich nach dortigen Maßstäben nicht ausreichend bemüht. Nicht auf dem Lehrer, auf dem Schüler lastet die Bringschuld.
Gute Schulnoten haben in asiatischen Ländern einen anderen Stellenwert - sie sind weit wichtiger als in unseren Breiten. Es geht darum, den Gesichtsverlust abzuwenden, den schlechte Noten mit sich bringen. In Europa wird oft stolz auf die eigenen miserablen Leistungen in der Schule hingewiesen, um dann anzumerken, dass "doch etwas" aus einem geworden sei. Das ist für asiatische Länder nicht vorstellbar.
Sprachlehrer in Europa wissen um dieses Phänomen. Kennt eine asiatische Studentin die Antwort auf eine Frage nicht, verfällt sie nicht selten in Verzweiflungs- und Demutsgesten. Aus europäischer Perspektive ein etwas eigenartiger Anblick.
Auch die Eltern sind in Fernost ganz anders motiviert, nicht selten sind sie es, die ihre Sprösslinge zu Höchstleistungen antreiben. Die sogenannten "Tigermütter" sind eine extreme Asuprägung.
Dazu kommt, dass Schüler etwa in Hongkong weit mehr Zeit mit Mathematik verbringen als ihre europäischen Kollegen. Die zu lösenden Aufgaben werden so lange wiederholt, bis sie "sitzen". In asiatischen Ländern unterrichtet ein Lehrer überdies immer nur ein Fach und nicht zwei, wie das in Österreich üblich ist. Die Spezialisierung ist viel größer.
Trotz der Erfolge, die die asiatischen Länder beim Pisa-Test erzielen, gelten sie bei den meisten europäischen Bildungsexperten nicht unbedingt als Vorbild. Das chinesische Bildungsmodell ist perfekt abgestimmt auf eine Gesellschaft, in der Hierarchien und Unterordnung eine enorm große Rolle spielen. China ist mehr oder weniger eine kommunistische Diktatur, Fragen zu stellen und Strukturen anzuzweifeln wird hier nicht gerne gesehen. Resultat wären dann Aufstände wie derzeit in Hongkong, mutmaßen die politisch Mächtigen.
Europa hat einen anderen Weg genommen. Mit der Demokratisierung der Gesellschaft, in Österreich nach 1918, sollte die "Drillschule" auf dem Misthaufen der Geschichte landen. In der westlichen Pädagogik will man auch Neugierde, Kreativität und spielerischen Spaß am Lernen wecken. Prinzipien, die bereits im 17. Jahrhundert von dem böhmischen Gelehrten und Pädagogen Johann Amos Comenius formuliert worden waren.