Stimmenkauf oder gleich "ab ins Arbeitslager": Weltweit wird manipuliert, dass sich die Balken biegen
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Es existieren fast so viele Wege, Wahlen zu fälschen, wie es Demokratien auf der Welt gibt: Von den 70 Ländern, die im Jahr 2012 Voten abhalten, wird es nur in 40 mit rechten Dingen zugehen, schreibt der "Economist" und beruft sich auf "Freedom House", eine NGO mit Sitz in Washington D.C. In den restlichen wird gefälscht, und das oftmals in einem Ausmaß, dass sich die Balken biegen. Beispiel Nordkorea: Wer dort sein Kreuz an die falsche Stelle setzt, dem sind Jahre im Arbeitslager sicher. Kein Wunder, dass 2011 alle 28.116 Kandidaten der regierenden Einheitspartei gewählt wurden, die Zustimmung betrug 99,97 Prozent. Ein derartiges Ergebnis hätte selbst Erich Honecker vor Neid erblassen lassen. Seine Einheitspartei SED kam bei den letzten DDR-Wahlen 1989 lediglich auf 98,85 Prozent - und das immerhin zu einem Zeitpunkt, als der Arbeiter- und Bauernstaat in der Bevölkerung so gut wie keinen Rückhalt mehr hatte.
Nur Lukaschenko fälscht zu seinen Ungunsten
In Weißrussland ist man angesichts dieser negativen Vorbilder um Mäßigung bemüht. Alexander Lukaschenko, Diktator der ex-sowjetischen Teilrepublik, ist der einzige bekannte Machthaber, der Wahlen zu seinen Ungunsten fälschen lässt. Er habe in aller Bescheidenheit den Anteil der Stimmen, die auf seine Person entfielen, nach unten korrigieren lassen - um im Ausland nicht den Verdacht der Wahlfälschung zu erwecken, beteuerte der Präsident im Jahr 2006.
Man muss gar nicht asiatische oder ex-sowjetische Diktaturen zitieren, auch in EU-Ländern werden Wahlergebnisse manipuliert. In der Slowakei - dort finden am Sonntag Parlamentswahlen statt - wird Stimmenkauf im großen Maßstab betrieben, das ist ein offenes Geheimnis. Kaum eine Partei, die sich nicht an derartigen Praktiken beteiligen würde. Als "Stimmvieh" missbraucht werden fast ausschließlich Angehörige der Roma-Minderheit, die überall im Land in großer Armut dahinvegetieren. Ein richtig gesetztes Kreuz auf dem Wahlzettel kostet 30 bis 40 Euro, oft gibt es auch Sachgeschenke. Eigens abgestellte "Helfer" prüfen akribisch nach, ob die bestochene Person auch "richtig" abgestimmt hat. Viele Bürgermeister vor allem im Osten der Slowakei haben ihren Posten auf betrügerische Art und Weise erworben.
Wobei Politiker in autokratisch regierten Staaten seltener auf unmittelbaren Wahlbetrug zurückgreifen. Immerhin ist angesichts der immer zahlreicher werdenden ausländischen Wahlbeobachter die Chance groß, dass der Betrug auffliegt. Viel öfter wird zu subtilen Mitteln zurückgegriffen und bereits im Vorfeld das Wahlgesetz so verändert, dass der Zugang für oppositionelle Kandidaten erschwert oder unmöglich gemacht wird. In Ländern wie Russland und der Ukraine werden potenzielle Rivalen von einer politisch abhängigen Justiz verfolgt, vor der Wahl verurteilt und in ein Gefängnis gesteckt. Eine weniger radikale Praxis besteht darin, Wahlkreise so zuzuschneiden, dass der Sieg eines Kandidaten von vorneherein feststeht. Diese Vorgangsweise ist als "Gerrymandering" in die Politikwissenschaft eingegangen und hat in Ländern, wo das Mehrheitswahlrecht gilt - etwa bei den Briten - große Bedeutung.
Fehlende Stimmzettel, lange Schlangen vor Wahllokalen
Manche Wahlfälschungen werden als administrative Unzulänglichkeit maskiert. So kann es sein, dass in Gegenden, wo mit einem Sieg der Opposition gerechnet wird, die Wahlzettel ausgehen. Oft sind auch die Wahllisten unvollständig. Manchmal wird in Armenvierteln, wo - um das Beispiel USA zu nennen - viele demokratische Wähler wohnen, die Zahl der Wahllokale knapp gehalten. Es bilden sich dann lange Schlangen und viele verzichten auf die Stimmabgabe.
Nachdem Wahlbeobachter immer wichtiger werden, richtet sich das Augenmerk der Wahlfälscher verstärkt auf diese Überwacher. Hier kommen Einschüchterung und Sabotage zum Einsatz, öfter greift man auf und effektivere Methoden zurück. So werden etwa Wahlbeobachter verschiedener Organisationen eingeladen in der berechtigten Hoffnung, dass die Meinungen über die Rechtmäßigkeit des Votums dann differieren. Länder wie Simbabwe, Kenia und Russland greifen auf diesen Trick zurück. Internationale Organisationen wie die "Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" mit Sitz in der weißrussischen Hauptstadt Minsk sind eher geneigt, manipulierte Wahlen als rechtmäßig anzuerkennen als etwa die OSZE.
Diese Strategien sind aber harmlos im Vergleich zu den Geschützen, die die Taliban in Afghanistan auffahren. Wer dort zur Urne schreitet, muss seinen Finger in ein Stempelkissen mit Farbe drücken. Die Islamisten drohten 2010, dass allen Afghanen mit buntem Finger derselbe abgeschnitten werde. Eine Drohung, die sich tatsächlich negativ auf die Wahlbeteiligung auswirkte - und in Einzelfällen auch wahr gemacht wurde.