Fatima Ferreira war an Entwicklung des ersten künstlichen Allergens beteiligt. | Experimente an Schulen im "Fliegenden Immunologischen Klassenzimmer". | Wien. Österreichs "Wissenschafterin des Jahres 2008" heißt Fatima Ferreira. Die aus Brasilien stammende, an der Universität Salzburg tätige 49-jährige Allergieforscherin erfüllt die Hauptkriterien für die alljährlich vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten vergebene Auszeichnung - exzellente wissenschaftliche Leistungen und Vermittlung des Fachgebiets gegenüber der Öffentlichkeit - in hohem Maß. Ferreira erhielt die Trophäe, mit der auch die Einladung zu einem Vortrag in den USA verbunden ist, am Donnerstag im Wien.
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"An die Spitze kommen und Mensch bleiben", an dieses Lebensmotto hat sich Ferreira, die am 16. Februar 1959 in Cachoeira de Goias (Brasilien) geboren wurde und in bescheidenen Verhältnissen mit zwei Geschwistern bei ihrer alleinerziehenden Mutter aufwuchs, gehalten. Sie studierte - dank Stipendien - in Brasilien Zahnmedizin und Biochemie. Am Ende des Studiums war ihr klar, dass sie Grundlagenforschung am meisten interessierte und dass sie ins Ausland gehen müsse, um weiterzukommen. Als Post-Doc am Department für Biochemie der Universität Toronto (Kanada) lernte sie 1988 ihren späteren Ehemann, den Biochemiker Peter Briza, kennen. 1990 übersiedelten die beiden nach Österreich, zunächst nach Wien, später nach Salzburg.
Trotz ihres brasilianischen Doktorates in Biochemie musste Fatima Ferreira, die seit 1997 österreichische Staatsbürgerin ist, für eine wissenschaftliche Karriere in Österreich ihren Diplomabschluss in Biochemie nachholen. Sie hatte sich inzwischen der Allergieforschung zugewandt und legte eine bahnbrechende Arbeit über Birkenallergene vor. Dass sie in Kooperation mit dem Wiener Biotechunternehmen Biomay und ihrem wissenschaftlichen Mentor, dem Allergieforscher Dietrich Kraft von der Uni Wien, das weltweit erste rekombinante (künstlich hergestellte) Allergen, jenes der Birke, entwickelte, darauf ist Ferreira stolz.
Sie habilitierte im Jahr 2000 im Fach Genetik an der Universität Salzburg und arbeitet dort seither als außerordentliche Professorin im Fachbereich Molekulare Biologie. Im Jahr 2006 wurde sie Gründungsdirektorin des Christian-Doppler-Labors für Allergiediagnostik und -therapie. Im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit entstanden bisher über 110 Fachpublikationen, sieben Patente wurden angemeldet. Wie anerkannt und gefragt Ferreira ist, zeigen eine lange Liste von Auszeichnungen und unter anderem, dass sie in den Uni-Rat der Wiener Universität für Bodenkultur berufen wurde.
Arbeit an neuartigenAllergieimpfstoffen
Ferreiras Forschungsarbeit gilt vor allem den Pollenallergien, die sie mit den Mitteln der Gentechnik bekämpfen will. Sie widmet sich besonders der Entwicklung und Produktion von standardisierten rekombinanten Allergenen. Gegenwärtig konzentriert sie sich dabei auf Allergien, die von Ragweed (Traubenkraut) sowie Beifuß ausgelöst werden. Am Christian-Doppler-Labor wird die Erforschung einer neuen Generation von genetischen Impfstoffen vorangetrieben. Das Ziel dieses Projektes ist, einen Allergieimpfstoff mit einem optimierten Sicherheitsprofil zu entwickeln, der gleichzeitig eine hohe Wirksamkeit auf das Immunsystem (Immunogenität) sowie einen anti-allergischen Effekt aufweist.
Es liege ihr nicht, "einfach dazusitzen und zu warten", betont Ferreira, der die Zusammenarbeit mit Kollegen, das Bilden von Netzwerken, aber auch der Kontakt mit der Öffentlichkeit für die Forschungsarbeit wichtig ist. So begann sie gemeinsam mit ihrem Salzburger Kollegen Reinhard Nestelbacher 2003 im Rahmen eines Projekts des Forschungsfonds FWF mit Wissenschaftskommunikation. Später entwickelte sich daraus das "Fliegende Immunologische Klassenzimmer": Mitglieder der Forschungsgruppe besuchen Schulklassen und führen mit den Kindern Experimente durch. Das Konzept erhielt 2006 in Paris den Kommunikationspreis der Europäischen Gesellschaft für Immunologie und 2007 den FWF-Wissenschaftskommunikationspreis.
Die jüngste Auszeichnung sieht Fatima Ferreira, die sich in Österreich sehr wohl fühlt, als Bestätigung dafür, "dass ich hier am richtigen Platz bin und das Richtige mache". Österreich sei ein guter Standort für Wissenschaft, ein gewisses Hindernis seien die wenig flexiblen Karrieremöglichkeiten für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Sie habe das Glück gehabt, schon früh unabhängig forschen zu können.