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Mit G'spür und Kampfgeist: Häupl mit 95,8 Prozent wiedergewählt

Von Matthias Winterer

Politik
Michael Häupl hat ein G'spür, zum Beispiel für die Lehrer, bei denen er sich am Parteitag entschuldigt.
© Matthias Winterer

Faymann schwört die Genossen am 70. Parteitag auf den Wahlkampf ein, Häupl gelingt es, die Wogen zu glätten.


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Wien. Die Halle D der Messe Wien ist in ein tiefes Rot getaucht. Die Farbe dominiert eindeutig den Raum. Rote Plakate, rote Banner, roter Teppich, rote Bühne, rote Blusen, rote Stöckelschuhe, die rote Nelke im Knopfloch und natürlich die roten Schals und Krawatten der Parteifuktionärinnen und Funktionäre. Alle sind sie da. Faymann, Hundstorfer, Heinisch-Hosek, Ostermayer, Stöger, Darabos, Becher, Androsch. Und natürlich er - der Vorsitzende der SPÖ Wien - Michael Häupl. Der Hausherr hat an diesem grauen Samstag im April zum 70. Landesparteitag geladen.

"Für Wien braucht’s a Gspür" prangt auf dem rot-weißen Banner über der Bühne. Geht es nach den Lehrern, hat Michael Häupl dieses vergangenen Dienstag nicht bewiesen. Vielen stieß er mit seiner Äußerung zu deren Unterrichtszeiten vor den Kopf. "Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig", scherzte der 65-Jährige. "Dann kann ich heimgehen", setzte er schelmisch nach. Nicht alle lachten. Kritik hagelte es nicht nur von Seiten der Lehrergewerkschaft, sondern auch parteiintern. Reinhold Entholzer - Vorsitzender der SPÖ Oberösterreich - distanzierte sich in einer öffentlichen Aussendung ganz klar von den Worten des Wiener Bürgermeisters. Auch der Zentralverein der Wiener LehrerInnen kündigte Protest an. Erstmals seit seinem hundertjährigen Bestehen wolle man am 1. Mai nicht am traditonellen Maiaufmarsch teilnehmen. Doch wie ist die Stimmung tatsächlich innerhalb der SPÖ?

Ein Heimspiel

Man gibt sich geschlossen und kämpferisch. Der Landesparteitag ist ein Heimspiel. Gerade in Wien - der roten Hochburg schlechthin. Bundeskanzler Wernen Faymann eröffnet den Reigen an Ansprachen. Er hält eine 15-minütige Rede über die Grundwerte der Sozialdemokratie. Diese geräten zunehmend in Gefahr. Neoliberale Kräfte, "die uns schon 2008 in die Krise gestoßen haben", würden nach der Stadt greifen. "Diese darf nicht in falsche Hände geraten", ruft Faymann entschlossen in den Saal. Die rund 1.000 Delegierten applaudieren stürmisch. Faymann schwört die Genossinnen und Genossen auf die Wien-Wahl im Herbst ein. Der Landesparteitag ist ganz eindeutig der inoffizielle Auftakt zum Wahlkampf.

Unmissverständlich macht er klar, dass man diesmal lieber auf eine Koalition verzichten würde. Damit die Wahl auch so ausgehe, wie sie ausgehen solle. "Nämlich, dass die Sozialdemokraten auch in Zukunft die stärkste Kraft sind und am besten alleine bestimmen können, wie sich diese wunderbare Stadt weiterentwickelt."

Wiederwahl mit 95,8 Prozent

Nachdem der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz seinen roten Genossen in Wien als Gastredner Schützenhilfe gegeben hat, betritt Bürgermeister Michael Häupl die Bühne. Gespannt erwartet man die Rede. Es geht um seine Reputation innerhalb der Partei. Immerhin steht heute seine Wiederwahl als Vorsitzender auf dem Programm. 2013 erhielt er mit 92,7 Prozent breitere Zustimmung als nach der Wahl 2010. Die Turbulenzen in der rot-grünen Stadtregierung und sein umstrittener 22-Stunden-Sager haben sich nicht negativ ausgewirkt. Häupl lenkt ein, spricht einer Entschuldigung ähnliche Worte. Schließlich wird er mit 95,8 Prozent wiedergewählt. Dieses Ergebnis ist um 3,1 Prozentpunkte besser als jenes aus dem Jahr 2013.

Entschuldigende Worte

"Die Botschaft entsteht beim Empfänger. So gesehen muss ich feststellen, dass sich die Falschen betroffen fühlen. Mir ist zu keinem Zeitpunkt in den Sinn gekommen, dass ich Menschen beleidige. Ich weiß, was Lehrer arbeiten. Ich komme aus einer Lehrerfamilie", sagt Häupl: "Es ist mir außerordentlich ferngelegen, jemanden zu kränken." Es sei ganz klar: "Liebe Lehrer, ich habe nicht euch gemeint, aber ich habe einige eurer Vertreter gemeint." Wobei er auch Namen nennt, also vor allem einen, nämlich jenen von Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer (ÖVP). Dieser sage auch in anderen Bereichen vor allem "Nein": "Ich warte nur, dass er sich so wie der Chruschtschow den Schuh auszieht und auf den Tisch klopft mit der Fersen und Njet sagt."

"Vieles gut gelungen"

Häupl warnte eindringlich vor einer Koalition gegen die Sozialdemokratie. Die Zielsetzung für den 11. Oktober sei "einfach formuliert". Das Wahlergebnis müsse so ausfallen, dass man am 12. Oktober nicht gegen die Sozialdemokratie regieren könne. Neunkirchen und Wiener Neustadt hätten gezeigt, dass es trotz SP-Mehrheit auch Regierungen ohne SPÖ geben könne: "Das alles vor dem Hintergrund dessen, dass es offensichtlich keinen Schamgrenzen mehr gibt."

"Ich habe bei weitem nicht die Absicht zu polemisieren und die Regierungsarbeit der letzten viereinhalb Jahre schlecht zu machen", würdigte er die rot-grüne Koalition: "Es ist vieles gut gelungen. Etwa bei der 365-Euro-Jahreskarte, bei der Mindestsicherung für Kinder und in vielen anderen Bereichen." Die Regierungsarbeit sei gemeinsam erfolgt: "Und das war gut so." Trotzdem wär ihm die absolute Mehrheit natürlich lieber. "Warum soll man die zweitbeste Lösung einer Koalition anstreben, wenn man die beste Lösung einer Alleinregierung haben kann?"

Und auch die drittbeste Lösung, nämlich eine Koalition mit der ÖVP, sei für Häupl nur schwer vorstellbar. Die ÖVP sei für Privatisierung von Gemeindebauten und Wasserversorgung eingetreten. Und auch in der rot-schwarzen Zusammenarbeit sei es zu "Demütigungen" zu kommen - etwa als die Volkspartei den Betrieb der Öffis am 1. Mai durchgesetzt habe.

Bei all den möglichen Koalition habe er fast darauf vergessen die vierte starke Partei Wiens zu erwähnen (die FPÖ, Anm.). "Aber die ist ja sowieso zum vergessen", winkt Häupl doch wieder ab.

Am Platz vor der Halle spielt eine Band das italienlische Partisanen-Lied "Bella Ciao". Auch die SPÖ will kämpfen, damit sie endlich wieder alleine regieren kann. Als letzter Bastion gegen die neoliberalen Kräfte des Kapitalismus.