Künstliche Intelligenz: Die österreichische Förderstrategie weist Schwachstellen auf.
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"Ich sitze hier in Linz auf etwas Genialem, habe aber nicht das Geld, es zu machen", sagt Sepp Hochreiter, der an der Johannes-Kepler-Universität in Linz im Bereich Künstliche Intelligenz lehrt, über sein KI-Modell. Doch dem international renommierten Professor fehlt es an Unterstützung. 500 Millionen oder besser eine Milliarde Euro würde er benötigen, "weil die anderen schon bei der zweiten Charge sind". Hochreiter fordert von der Politik eine klare Strategie für den Ausbau und den Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Dabei habe die Bundesregierung in der Vergangenheit mehrere Chancen ausgelassen, um bei der KI-Förderung nachzubessern.
Im Jahr 2018 hatten ÖVP und FPÖ bereits eine Strategie geplant, die konkrete Fördermittel für die Forschung enthalten hätte. Die Ziele und die fertige Strategie wären laut Plänen der Regierung im dritten Quartal 2019 präsentiert worden. Der verhängnisvolle Urlaub von Vizekanzler Heinz-Christian Strache auf Ibiza beendete jedoch die Koalition vorzeitig. Im darauffolgenden freien Spiel der Kräfte im Parlament war KI ebenso wenig ein Thema wie für das Expertenkabinett von Übergangsbundeskanzlerin Brigitte Bierlein.
Die türkis-grüne Nachfolger-Regierung präsentierte im September 2021 die "Artificial Intelligence Mission Austria 2030", die man im Ministerrat absegnete. Clemens Wasner, Vorstand von AI Austria, kritisiert die Strategie als "reine Absichtserklärung". Konkrete Maßnahmen würden fehlen.
Regierung will KI-Strategie überarbeiten
Digitalisierungs-Staatssekretär Florian Tursky verspricht eine Nachschärfung. Bis zum Ende der Legislaturperiode soll die KI-Strategie überarbeitet werden. Mehr über das geplante Vorhaben erfährt man nicht. Marcus Arige, Präsident des sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands, fordert indes konkrete Investitionen: "Ein bis zwei Milliarden für den Ausbau der Infrastruktur und der Förderung der Grundlagenforschung müssten für ein Land wie Österreich schon drinnen sein." Auf der anderen Seite brauche es laut Arige europäische Maßnahmen, wie beispielsweise eine Steuer auf Datenmengen.
Günter Klambauer, Professor am Institut für Machine Learning an der JKU Linz, übt scharfe Kritik an der Regierung: "Der Skandal ist, dass Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern die Forschung im KI-Bereich nicht gesondert durch öffentliche Gelder fördert." So gibt es finanzielle Unterstützung für Unternehmen, die KI nutzen und für vereinzelte Projekte, aber nicht konkret für Hochschulen und Forschungseinrichtungen. International ist das ein Unikat.
An den Rahmenbedingungen könne es Hochreiter und Klambauer zufolge nicht liegen. Die sind in Österreich ausgezeichnet. So stellen heimische Hochschulen gleich drei von insgesamt 35 Vertretern im europaweiten KI-Forschungsnetzwerk European Laboratory for Learning and Intelligent Systems (ELLIS). Selbstverständlich ist das nicht. Während das Linzer Institut in der ersten Runde 2019 den Zuschlag für eine ELLIS-Unit erhalten hatte, konnten renommierte Universitäten wie Oxford und Cambridge erst in weiteren Anläufen reüssieren. Europa soll durch die ELLIS-Netzwerke im technologischen Wettlauf mit China und den USA Schritt halten. Die meisten europäischen Staaten hätten den Nutzen und das Potenzial von ELLIS erkannt - Österreich nicht, kritisieren Fachleute.
Im internationalen Vergleich verliert Österreich zunehmend an Boden. Laut einer Analyse der Denkfabrik Brookings Institution fördert der Staat KI nur mit sieben Millionen Euro und liegt damit auf einer Ebene mit dem afrikanischen Staat Uganda, dessen Bruttoinlandsprodukt 2021 knapp ein Zehntel des österreichischen betrug. Zum Vergleich: Schweden investiert 500 Millionen Euro und finanziert somit 50 neue Professuren, 400 PhD-Stellen und 60 Forschungsteams.
Studierende zieht esins Ausland
Dabei zeigen Zahlen deutlich, dass Künstliche Intelligenz auch volkswirtschaftlich von Relevanz sein wird. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC prognostizierte 2018, dass 2030 knapp die Hälfte der wirtschaftlichen Gewinne von einer KI lukriert werden könnten. Das Beratungsunternehmen Accenture kam 2019 zu dem Schluss, dass KI die Produktivität der Beschäftigten um 30 Prozent steigern könnte, Schätzungen des Think Tanks des Europäischen Parlaments kommen zu einem ähnlichen Schluss.
Die ersten Auswirkungen der fehlenden staatlichen Unterstützung zeigen sich bereits. KI-Studierende wandern aus Österreich ab. "Ich sehe in Österreich langfristig keine Zukunft für mich", sagt PhD-Student Marius Constantin Dinu. Die Jobaussichten seien in Österreich schlicht zu schlecht, um mit der guten Ausbildung hier langfristig Fuß zu fassen. Dinu ist derzeit mit dem Aufbau eines eignen KI-Startups beschäftigt. Seine Zukunft sieht er nicht in Österreich: "Man muss sich nur umsehen, da ist es kein Wunder, wieso immer mehr KI-Studierende das Weite suchen." So hätten große Unternehmen, die generell für KI-Studenten interessant sind, keinen Standort in Österreich.
Viele seiner Kommilitonen suchen ebenfalls ihr Glück im Ausland. Google Research in Berlin, Microsoft Research in Amsterdam, Mata in Redmond oder Freenome in Kalifornien sind nur einige von vielen Unternehmen, bei denen sie anheuern. Auch die Studienkoordinatorin des AI-Studiums, Jenny Knauth, beobachtet einen Auszug von PhD-Studenten: "Während knapp die Hälfte der Master-Studierenden bereits in Österreich arbeitet, zieht es Doktoranten stark ins Ausland". Amazon, Google und andere große Unternehmen würden die Absolventen des renommierten Linzer KI-Studiums nach ihrem Abschluss mit guten Angeboten locken.
Auch Unternehmenwandern ab
Auch Unternehmen zieht es ins Ausland. Ein Startup-Gründer, der mit seiner KI-Firma bereits auf den Sprung in die USA ist, spricht hinter vorgehaltener Hand über diverse Fehlentwicklungen in Österreich: "Keine Frage, die Förderlandschaft mit aws & Co. ist hier ausgezeichnet. Doch wenn man diese Ebene übersprungen hat, wird es rar." Die staatliche Unterstützung sei unzureichend. Auch sei es für wachsende Unternehmen im KI-Bereich zunehmend schwierig, Investments an Land zu ziehen. "Wenn man in Österreich fünf Experten in der KI-Branche mit Ambitionen für Investments findet, ist das schon eine Leistung", sagt der Unternehmer, der anonym bleiben will. Hinzu komme, dass Investoren aus Österreich generell KI-Unternehmen zu gering einstufen würden. Er kenne "unzählige Beispiele, in denen Gründer nur die Hälfte oder gar ein Viertel jener Summe hier bekommen, die sie in Übersee lukrieren."
Staatssekretär Tursky stellt sich der Kritik. Speziell bei der Grundlagenforschung habe man in den letzten Jahren einiges verpasst. Die FFG-Förderungen für Unternehmen seien jedoch "respektabel". "Hochreiters Kritik bezieht sich hauptsächlich auf die Rechenleistungs-Kapazität - hier sind wir national, aber hauptsächlich europäisch, auf der Suche nach Lösungen", sagt Tursky. Das Thema wird die Bevölkerung ohnehin noch länger beschäftigen. In den ersten zwei Monaten haben über 100 Millionen User ChatGPT genutzt. Zum Vergleich: Es brauchte 75 Jahre, bis es 100 Millionen Telefonanschlüsse gab, rund 30 Jahre für 100 Millionen TV-Geräte, selbst das Mobiltelefon brauchte 16 Jahre und eine Plattform wie Facebook vier Jahre. "Das sind noch nie dagewesene Dimensionen", so Tursky.