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Mit Impfen und PCR-Tests gegen Delta

Von Martina Madner

Politik

Die Virusmutation ist laut Ampelkommission ein "ernstzunehmendes Risiko". Doch diese Gefahr kann eingedämmt werden.


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Die Warnungen vor Delta, der Coronavirusvariante B.1.617.2, nehmen zu. Die Ampel-Kommission zeigte sich besorgt. Nach der dieswöchigen Sitzung des Gremiums sprach sie in einer Aussendung von einem "ernstzunehmenden Risiko". Verbreitet sich diese Mutation weiter, sei ein Anstieg der Infektionszahlen bereits in den Sommermonaten mit hohem Systemrisiko möglich. Die Öffnungen müssten daher "engmaschig und kritisch" beobachtet werden.

Auch das deutsche Robert-Koch-Institut warnte, dass Delta laut den jüngsten Daten bereits in allen 16 deutschen Bundesländern nachgewiesen wurde. Nach England wird nun auch Wales die geplanten Lockerungen der Schutzmaßnahmen wegen der Ausbreitung der Variante um vier Wochen verschieben. "Wir haben alle Daten überprüft und werden die Änderungen der Regeln um vier Wochen verschieben", twitterte der walisische Regierungschef Mark Drakeford.

Die portugiesische Regierung riegelt Lissabon wegen einer besorgniserregenden Zunahme der Neuinfektion gleich von Freitagnachmittag bis Montagfrüh ab. Die 2,8 Millionen Bewohner der portugiesischen Hauptstadt dürfen den Großraum Lissabon nur aus triftigem Grund verlassen, Personen von außerhalb dürfen nur in Ausnahmefällen einreisen. Präsidentschaftsministerin Mariana Vieira da Silva nannte die Ausbreitung der Delta-Variante als Grund. Die Maßnahme sei "unerlässlich, damit die Lage, die in Lissabon derzeit herrscht, nicht auf das ganze Land übergreift".

Das österreichische Vorgehen gegen die Delta-Variante ist weit dezenter: Bei der Regierungspressekonferenz zu den neuerlichen Lockerungen schlüpfte Med-Uni-Wien-Vizerektor Oswald Wagner am Donnerstag wieder in die Rolle des Mahnenden und sagte: "Gerade in Hinblick auf die Ausbreitung der Delta-Variante ist die Einhaltung der 3G-Regeln wichtig" - also geimpft, genesen oder getestet zu sein.

In neun Tiroler Gemeinden im Umkreis von Innsbruck wird die Bevölkerung - auch an Covid-19 bereits Genesene oder Geimpfte zählen dazu - derzeit zu PCR-Tests gerufen. Denn bei zumindest drei Delta-Fällen bei elf aktiven konnten die Tiroler Behörden die Infektionsquelle nicht bestimmen. Dabei gibt es bereits Vorschläge, wie die Politik Delta begegnen kann, damit die Virusvariante weniger großen Schaden im Herbst verursacht.

Die Delta-Mutation ist infektiöser und gefährlicher

Noch ist die Delta-Virusvariante, die im Übrigen erstmals in Indien entdeckt wurde, in Österreich kaum verbreitet. Laut Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) wurden bis zum 15. Juni insgesamt 71 Fälle der Variante B.1.617.2 mittels PCR-Tests oder Sequenzierung festgestellt, die meisten davon in Wien mit 32.

Oswald spricht von sechs Prozent der Neuinfektionen in Deutschland mit diesem Virustyp. "In Wien liegen wir zwischen fünf und zehn Prozent, in Großbritannien hat es aber nicht einmal zwei Monate gedauert, bis sie die dominierende Variante war."

Der Grund für die rasche Verbreitung ist, dass schon B.1.1.7, die britische Variante, die nun auch als Alpha bezeichnet wird, um 30 Prozent infektiöser war als der Wildtyp. Die Deltavariante ist nun aber um 50 bis 60 Prozent ansteckender als Alpha.

Virologe Andreas Bergthaler von der Akademie der Wissenschaften erklärt, "dass Delta vermutlich auch mit schwereren Krankheitsverläufen einhergeht". Da diese Variante "auch der Immunantwort leichter entkommt, sind nur ein Mal geimpfte Menschen nicht ausreichend vor der Delta-Variante geschützt".

Eine britische Studie zur Effektivität der Impfstoffe zeigte, dass der Schutz gegen eine Infektion mit der Deltavariante nach der ersten Impfdosis bei 33,5 Prozent liegt, im Vergleich zum Schutz gegen B.1.1.7., wo bereits 51,1 Prozent der Erstgeimpften vor einer Infektion mit dieser Variante geschützt sind. "Studien zeigen jedoch auch, dass der Impfschutz gegen Delta nach einer Vollimmunisierung ähnlich gut ist wie bei Alpha", sagt Bergthaler.

Epidemiologin Eva Schernhammer von der Medizinischen Universität Wien macht darauf aufmerksam, dass der Impfstoff von BioNTech/Pfizer zu 88 Prozent gegen eine Ansteckung mit der Delta-Variante wirkt, jener von AstraZeneca zu 60 Prozent. "Delta hat deshalb das Potenzial zur Super-Spreader- Variante", sagt Schernhammer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Laut einer Studie der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England lassen sich schwere Krankheitsverläufe bei der Delta-Variante mit einer Impfung ebenso wirksam vermeiden wie bei der Alpha-Variante: Zwei Dosen Pfizer/Biontech verhindern in 96 Prozent der Fälle eine stationäre Behandlung, zwei von AstraZeneca in 92 Prozent - auch bei B.1.617.2.

Kein Grund für Alarmismus, aber frühzeitige Ideen

Die Saisonalität des Virus lässt Schernhammer "vorsichtig hoffen", dass sich die Ausbreitung durch den Sommer einbremst. Dass zunehmend mehr mit BioNTech/Pfizer geimpft wird, ebenfalls. Weniger zuversichtlich stimmen die Epidemiologin die anderen Symptome, "eine rinnende Nase, Kopfweh, Halskratzen, diese sind sehr leicht mit einer Sommergrippe oder Erkältung zu verwechseln, weshalb Infizierte vielleicht zu spät daran denken".

Außerdem nimmt mit dem Sommer nun auch das Reisen zu. Bei Studien aus Großbritannien habe sich gezeigt, dass anfänglich eher gut situierte und jüngere Menschen von Infektionen mit B.1.617.2 betroffen waren, "was vielleicht ein Hinweis auf Reisetätigkeit als treibendem Faktor ist", sagt Schernhammer. Österreich lasse sich zudem schwieriger isolieren, da es sich in der Mitte Europas befinde und es hierzuladen viel Pendelverkehr gebe.

Scherhammer rät deshalb von Reisen in bereits stark betroffene Länder ab. "Oder zumindest zu einer Quarantäne nach der Rückkehr." Med-Uni-Wien-Hygienierin Miranda Suchomel schlägt vor, so wie das etwa Griechenland im Moment macht, unabhängig vom Impfschutz zusätzlich einen negativen, nicht älter als 72 Stunden alten PCR-Test zu verlangen.

Die Hygienikerin rät neben der Impfung zudem zu den bekannten Maßnahmen wie regelmäßiges Lüften, Abstand halten, sich weiterhin die Hände zu waschen und FFP2-Masken in dichter besetzten Innenräumen wie U-Bahnen zu tragen: "Das kann jeder für sich selbst machen, das hilft auch bei Virusmutationen. Es handelt sich immer noch um ein Corona-Virus, das hat nicht plötzlich Flügerl bekommen."

Die Öffnungsschritte in Österreich lassen sich mit der sehr niedrigen Anzahl an Neuinfektionen begründen. Bergthaler sagt jedoch: "Die Pandemie ist noch nicht vorbei und die Entwicklung der Infektionszahlen und Verbreitung von Varianten werden weiterhin genau beobachtet. Falls lokale Cluster mit der Delta-Variante entstehen, sind sofortige Maßnahmen wie ausführliches Testen, Contact Tracing und Isolation sicherlich zielführend."

Wie man die 3G-Regeln adaptieren könnte

Schernhammer erwartet sich im Sommer keine dramatischen Auswirkungen. Sie rät dazu, "die Zeit dringend zu nutzen, all jene zu impfen, die die Impfung wollen". 49 Prozent aller Österreicher haben bereits die erste Impfung, 27 Prozent sind vollimmunisiert. Mit den zwei Drittel bis drei Viertel an Impfbereiten und jenen, die bereits an eine Covid19-Erkrankung durchgemacht haben, "können wir auf 80 Prozent Immune kommen", sagt Oswald: "Mein Appell: Lassen Sie sich impfen."

Auch Simulationsforscher Nikolaus Popper geht kurzfristig nicht von großen Zuwächsen bei den Infektionen aus. Über den Herbst lasse sich quantitativ noch nichts sagen: "Das liegt viel zu weit in der Zukunft. Qualitativ ist aber klar, dass es vom Impffortschritt abhängt."

Sind 80 Prozent immunisiert und die Impfungen in der Bevölkerung gut verteilt, hat das Virus wenig Angriffsfläche. Sind die Nichtgeimpften in einer abgrenzbaren Gruppe zu finden, stecken sie sich untereinander mehr an. Hier geht es um die Anzahl der Kontakte zu Personen außerhalb. "Bleibt aber ein Drittel im Herbst nicht immunisiert, gibt es, selbst bei guter Verteilung, zu viele Möglichkeiten, sich anzustecken", erklärt Popper.

"Sollten die Zahlen hochgehen oder Cluster entstehen, könnte man bei den 3Gs nachbessern", so Schernhammer. Geimpfte könnten den Zutritt erst nach zwei Dosen erhalten. Bei Genesenen könnte der sechsmonatige Zeitraum um eine Impfdosis erweitert werden. "Für das Testen könnte man PCR-Tests allen Personen österreichweit zugänglich machen", sagt sie. Bei den Antigenschnelltests zu Hause gebe es die "größte Unsicherheit" im Vergleich zu den anderen Varianten.

Das Büro des Wiener Gesundheitsstadtrats hat darauf aufmerksam gemacht, dass Prognosemodelle präziser sind, je mehr, insbesondere PCR-basierte, Daten vorliegen. Allerdings ging die Anzahl der PCR-Tests in allen Bundesländern bis auf Wien von April bis letzte Woche zwischen 48 und 74 Prozent zurück, mit den PCR-Gurgeltests in Wien aber stiegen sie um 66 Prozent an. "Der Vorteil des Tests ist klar: Er ist sehr präzise und entdeckt Infektionen schon frühzeitig noch vor Symptombeginn", sagte Sprecher Mario Dujakovic. Erste Stimmen für eine Trendwende gibt es bereits: In Tirol fordern die SPÖ und die Neos bereits mehr PCR-Tests, so wie in Wien.