Zum Hauptinhalt springen

Mit Interimslösungen Zeit gewinnen

Von David Ignatius

Kommentare

US-Außenminister John Kerry hat mit dem Rahmenabkommen ein probates diplomatisches Instrument entwickelt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Für US-Außenminister John Kerry zentriert sich die Diplomatie um das, was man die Kunst des einstweiligen Abkommens nennen könnte. Er hat zwei der weltweit schwierigsten Themen angepackt - das iranische Atomprogramm und das israelisch-palästinensische Problem - und provisorische Formeln entworfen, die ein endgültiges Übereinkommen umreißen, auch wenn die Parteien weit entfernt von einer solchen umfassenden Regelung sind.

Kerrys Instrument ist das Rahmenabkommen. Er versucht, die Parteien auf ein Ausgangsdokument zu vereinigen, das die Themen umreißt, und versüßt den Handel mit vertrauensbildenden Maßnahmen. Dieses stufenweise Vorgehen benutzte er das ganze vorige Jahr hindurch für seine beiden ambitionierten diplomatischen Kampagnen. Er vermittelte ein Interimsabkommen mit dem Iran, mit dem das iranische Atomprogramm für sechs Monate eingefroren wird, während die Parteien versuchen, ein dauerhaftes Abkommen zu erreichen.

Unter vier Augen bezweifeln sowohl die Iraner als auch die USA, dass ein endgültiger Vertrag in diesem Zeitraum erreicht werden kann, aber möglicherweise könnten sich die Iraner und die P5+1-Gruppe darauf einigen, das vorläufige Einfrieren um weitere sechs Monate zu verlängern.

Ähnliches versucht Kerry beim israelisch-palästinensischen Konflikt, der seit einer Generation die Mission Impossible der Diplomatie ist. Kerry hat vorigen Juli beide Seiten dazu gebracht, Verhandlungen zuzustimmen. Und nun will er bis zum heurigen April auch in dieser Angelegenheit ein Interimsrahmenabkommen entwerfen.

US-Präsident Barack Obama hat den Iran und das Palästinenserproblem bei seinem Amtsantritt 2009 zur Priorität erklärt. Während seiner ersten Amtszeit verbrannte er sich die Finger an beiden. Aber in Kerry hat er einen Außenminister gefunden, der gewillt ist, sich auf das einzulassen, was in weiten Kreisen als diplomatische Selbstmordmission gesehen wird.

Beide Probleme könnten sich immer noch als unlösbar erweisen. Bei der Rede von Israels Finanzminister Naftali Bennett bei einer Konferenz in Tel Aviv am Dienstag wurde klar, wie vehement die rechte Siedlerbewegung, die er vertritt, gegen einen palästinensischen Staat ist. "Unsere Vorfahren und unsere Nachkommen werden einem israelischen Politiker, der unser Land hergibt und unser Vermögen teilt, niemals verzeihen", verkündete Bennett fast brüllend. Trotzdem schien die Aussicht auf ein Rahmenabkommen à la Kerry bei dem Treffen verlockend nahe in den Stellungnahmen von Premier Benjamin Netanyahu und Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas.

Obama und Kerry wollen, dass das diplomatische Engagement als Zeichen fortgesetzten Einsatzes der USA im Nahen Osten gesehen wird und nicht als Teil des Rückzugs. Das stimmt schon, es ist aber auch eine Strategie, um Zeit zu gewinnen. Soll diese Vorgangsweise Erfolg haben, muss die Interimsversion permanent werden - und vor den USA liegt in beiden Fällen noch immer ein sehr weiter Weg.

Übersetzung: Redaktion