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Mit Kokablatt zur Drogenkonferenz

Von Alexander U. Mathé

Politik

EU-Kommission mit düsterer Bilanz. | UN-Direktor Costa: Fokus auf Großstadt.


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Ganz still und heimlich hatte er es versteckt; an Polizei und Zoll vorbeigeschmuggelt und dann plötzlich zum Gaudium des Publikums hervorgeholt: Voller Stolz hielt Boliviens Präsident, Evo Morales, ein Kokablatt den hochrangigen Experten entgegen, die an der Tagung der UNO-Suchtstoffkommission dieser Tage in Wien teilnehmen. Sie wollen Mittel und Wege finden, die Drogenproblematik besser in den Griff zu bekommen.

Das Kokablatt ist da für Morales aber der falsche Ansatzpunkt. Seit 3000 vor Christus sei das Kauen von Kokablättern Teil der Kultur seines Landes, erklärte er. Die Blätter machten nicht süchtig, seien nicht schädlich, sondern würden im Gegenteil sogar medizinisch genutzt. Er selbst habe es in seiner Zeit als Kokabauer zehn Jahre lang gekaut und fühle sich dadurch weder schlecht ernährt, noch verrückt oder geistig minderbemittelt, was einigen Berichten zufolge das Resultat des Kokakonsums sei. "Deshalb bitte ich in aller Demut, das Kokablatt von Platz eins der UN-Drogenliste zu streichen", sagte Morales. Denn es sei das durch Verarbeitung gewonnene Kokain, das schlecht sei und gegen das er auch selbst rigoros vorgehen wolle, und nicht das Kokablatt.

300 Milliarden Dollar Umsatz mit Drogen

Doch Morales´ Anliegen dürfte bei der Tagung dann doch eher ein Randproblem des Drogenkampfs sein. Schätzungen der UN-Büros gegen Drogenkriminalität zufolge beziffert sich nämlich der Umsatz des illegalen Drogenhandels mittlerweile auf 300 Milliarden Dollar pro Jahr. Dies entspreche fast dem Bruttonationalprodukt Schwedens, erklärte der Direktor des Büros, Antonio Maria Costa. Angesichts der zunehmenden Urbanisierung werde sich der Kampf um die Drogenkontrolle in den Großstädten entscheiden. Als Erfolg meldete Costa, dass seit 1999 der Koka-Anbau um ein Fünftel reduziert worden sei. Auf die Frage, ob die UNO Morales´ Bitte um die Entkriminalisierung von Kokablättern nachkommen werde, sagte er, dass von Seite der bolivianischen Regierung noch kein offizieller Antrag eingegangen sei.

Bolivien hat derzeit mehr Kokafelder als zum Konsum für die zehn Millionen Betroffenen in der Region nötig sind. Morales erklärte, als Kompromiss in Zusammenarbeit mit der EU die Kokaplantagen reduzieren zu wollen. Diese hat eine Studie in Auftrag gegeben, die feststellen soll, wieviel Koka für den legalen Konsum in Bolivien angebaut werden kann.

Die EU-Kommission hat bereits im Vorfeld der UN-Tagung in Wien dem Kampf gegen die Drogen ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: Es gebe keinen Hinweis darauf, dass das Drogenproblem in den letzten zehn Jahren abgenommen habe, hieß es in einem entsprechenden Bericht.

Daran knüpften die Demonstranten vor der UNO-City am Mittwoch nahtlos an. "Der Krieg gegen die Drogen ist sowieso verloren. Wir fordern, dass Drogen entkriminalisiert und reguliert werden. Heroin soll es künftig auf Rezept geben", sagte Dean, der für den Protest extra aus Belfast gekommen war. Warum er glaubt, dass seine Forderungen nicht erfüllt werden? "Weil es ein gutes Geschäft für die Staaten ist."

Der Liberalisierung von Drogen erteilte Antonio Costa jedenfalls eine klare Absage: "Drogen sind nicht schädlich weil sie kontrolliert werden, sondern sie werden kontrolliert, weil sie schädlich sind".