Zum Hauptinhalt springen

Mit leeren Händen

Von Barbara Ottawa

Wirtschaft
Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.

Wenn die Kurse an den Märkten fallen, heißt es für viele Anleger Augen zu und durch - oder aber risikoreiche Spekulationen mit Leerverkäufen oder Zertifikaten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Allgemein wird von den Analysten kein neuerlicher totaler Einbruch der Aktienmärkte in nächster Zeit erwartet, dafür aber ein Mehr an Auf- und Abbewegungen der Börsen.

Was tut man also, wenn man sich sicher ist, dass ein bestimmtes Wertpapier im Kurs fallen wird? Man borgt es sich, bevor es seinen Tiefstand erreicht hat von jemand anderem, verkauft es an solche Investoren, die nicht an ein weiteres Abstürzen des Preises glauben, und kauft es später zu einem günstigeren Preis zurück - wenn alles gut geht. Dem Aktienbesitzer muss aber in jedem Fall eine Leihgebühr gezahlt werden.

Diese Praxis, die auf Englisch "shorting" oder zu Deutsch "Leerverkauf" heißt, ist an und für sich eine legitime Spekulation, hat aber in ihren extremen Ausformungen mit dazu beigetragen die Aktienmärkte weltweit zu destabilisieren.

So war es zum Beispiel - vor allem im angloamerikanischen Raum - üblich, auch "ungedeckte Leerverkäufe" vorzunehmen, also solche, bei denen eine Aktie verkauft wird, die man vorher nicht ausgeliehen hat. Das führte dazu, dass einige Aktien mehrfach am Markt angeboten wurden und spätestens als klar wurde, dass die Kurse weiter fallen werden, die Nachfrage auch immer geringer wurde. Es kam in der Folge zu Verboten bestimmter Arten von "shorting" und auch in Österreich wurden von der Finanzmarktaufsicht ungedeckte Leerverkäufe von Aktien etlicher heimischer Bank- und Versicherungsaktien bis Ende Februar 2010 verboten. Damit sollen Manipulationen durch Spekulanten verhindert werden.

Dennoch bleibt das Grundkonzept von Leerverkäufen laut Ansicht einiger Experten ein wichtiges Instrument, um die ständige Liquidität der Aktienmärkte zu garantieren, also sicherzustellen, dass jedes Wertpapier zu jeder Zeit gehandelt werden kann und Abnehmer findet. Kritiker wiederum betonen das Manipulationspotenzial, welches mit einer derart hochspekulativen Anlagestrategie einhergeht. Während in Deutschland Leerverkäufe für Kleinanleger verboten sind, können risikofreudige österreichische Privatinvestoren dieses Instrument einsetzen, um ihre Aktienstrategie zu diversifizieren.

In jedem Fall sollte man sich vorab genauestens über Möglichkeiten und Risiken bei seinem Wertpapierhändler, der mit dem Aktienhandel beauftragt wurde, informieren.

Wer nicht direkt an den Aktienmarkt gehen, aber trotzdem auf fallende Kurse setzen will, kann sich auch über bestimmte Arten von Zertifikaten informieren. Das sind Schuldverschreibungen, mit denen Investoren auf verschiedenste Weise an Kursentwicklungen partizipieren können. So bietet etwa ein Knock-out Zertifikat für risikobereite Anleger die Möglichkeit - je nach Ausformung des Produktes - bei stark steigenden oder stark fallenden Kursen überproportional Gewinne zu erzielen. Andererseits ist zumeist auch das Risiko um den Multiplikationsfaktor erhöht.

Ebenso gibt es zu diversen gängigen Zertifikaten wie Index- oder Bonus-Zertifikaten mittlerweile sogenannte "Reverse"-Versionen, mit denen man an fallenden Kursen verdienen kann, wenn der Markt sich so entwickelt, wie man sich das erwartet hat. Auch andere Derivate, also von Wertpapieren abgeleitete Finanzprodukte wie etwa Optionen, können genutzt werden, um "short" zu gehen.

Bleibt nur noch die Frage, wann sich der Markt wieder drehen wird. Einige Anleger sind davon überzeugt, dass der enorme Kursanstieg des vergangenen Jahres die Aktienmärkte schon wieder "reif" für einen Abzug gemacht hat, andere bleiben noch voll investiert - vor allem auch jene, die auf eine langfristige Strategie gesetzt haben.