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Mit Maisbier, Helm und Pedalen

Von Monika Kalcsics

Politik

Gefährlicher Hüttenmoloch in Soweto wird Touristenziel. | Unterkunft, Essen und Fahrradtouren werden im "Soweto Backpackers" angeboten. | Der Township- Tourismus boomt. | Johannesburg/Soweto. Irgendwann kommt der Moment, da ist es einem egal, was die Leute über einen denken. Das "Abelunga, Abelunga" hört man schon nicht mehr. Man hat sich daran gewöhnt, dass Kinder einem nachlaufen und "Weiße, Weiße" rufen. Das ist nicht ungewöhnlich, wenn man in Gegenden von Johannesburg unterwegs ist, in denen Touristen nach wie vor Exoten sind. Und was für Exoten. Sie tun Sachen, die kein Einheimischer je machen würde: Fahrradfahren.


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Mit Helm und aufgemotzten Mountainbikes in allen Größen. Und das in einem Stadtviertel, das für das gemütliche Fahren überhaupt nicht geeignet ist. Viel zu hügelig ist es hier, mit viel zu wenig asphaltierten Straßen und viel zu vielen Schlaglöchern, die sich bei Regen in Teiche verwandeln.

Soweto - größtes Township Südafrikas, 20 Kilometer südwestlich von Johannesburg. Das "South Western Township", kurz Soweto, ist ein verwirrendes Mosaik aus mindestens 32 Vierteln. Wie viele hier wohnen, weiß niemand so genau. Offiziell sollen es 2,3 Millionen Menschen sein, aber die Einheimischen sprechen von 3,5 bis fünf Millionen. Auf einer Fläche so groß wie Graz reiht sich ein Haus nach dem anderen, wobei der Begriff "Haus" in Soweto sehr dehnbar ist. Er reicht von Sheks, den Wellblechhütten in White City, über Ein-Zimmer-Ziegelhäuschen in Meadowlands bis zu Luxusvillen in Orlando West, die sich hinter Mauern und Stacheldrahtzäunen verbergen.

Wiese statt Müllabladeplatz

Jeden Tag um 10 und 13 Uhr herrscht vor "Soweto Backpackers" reges Treiben. Fahrradpumpen pfeifen, Schutzhelme werden angepasst und Sitzhöhen eingestellt für die "Soweto Bicycle Tour". Die skurril anmutenden Radfahrer vor allem aus Europa, aber auch aus den USA und Australien sind für die Sowetians willkommene Abwechslung, gute Unterhaltung und auch Einnahmequelle. Der Township-Tourismus boomt. Es gab eine Zeit, da verschaffte allein die Erwähnung des Ortsnamens Soweto vielen Touristen eine Gänsehaut. Es galt als gefährlicher Hüttenmoloch hinter den Goldminen am Rande von Johannesburg. Heute besuchen täglich rund 1000 Touristen Soweto. Sie tummeln sich hauptsächlich im Ortsteil Orlando West, rund um die Vilakazi Street, in der Nelson Mandela und Desmond Tutu lebten. Die einzige Straße der Welt, in der zeitweise zwei Friedensnobelpreisträger wohnten.

Mit dem Fahrrad liegt "Soweto Backpackers" zehn Minuten von der Vilakazi Street entfernt. Dort, wo sich früher ein Müllabladeplatz ausbreitete, befindet sich heute ein Park mit Bäumen, Bänken und einem Fußballplatz. Das ist die Arbeit des Lebo Malepa, der vor ein paar Jahren mit den Jugendlichen aus der Nachbarschaft das Begrünungsprojekt startete - direkt vor seinem Haus, in dem er geboren wurde und das heute der kleine Touristikbetrieb "Soweto Backpackers" ist, mit Unterkünften, Verpflegung, Fahrrad- und Walkingtouren. Seit 1999 beherbergt Lebo hier Touristen. "Dort wo ich schlafe, können auch Touristen schlafen." Das war Lebos Anfang als Kleinunternehmer, mit dem ehrgeizigen Projekt, nachhaltigen Tourismus nach Soweto zu bringen. "Der gängige Tourismus sind Busse voll mit Touristen, die für ein paar Stunden nach Soweto kommen, Fotos aus dem Bus heraus machen, nur aussteigen, um in einem Restaurant Halt zu machen und überzeugt sind, dass sie erschossen werden, wenn sie den Bus verlassen. Da lässt sich Soweto doch viel besser mit dem Fahrrad erkunden. Wir sind Menschen, die hier leben, und keine Touristenattraktion. Wenn Leute auf Besuch kommen, müssen sie verstehen, dass die Menschen hier von etwas leben müssen. Deshalb ist es wichtig, viele aus der Gegend einzubinden. Auf den Fahrradtouren lassen wir überall unser Geld liegen. Das ist Arbeitsplatzbeschaffung und nachhaltiger Tourismus. Wo immer wir stehen bleiben, wollen die Leute, dass wir zurückkommen, weil wir nicht nur Bilder von ihnen machen."

Menschenzoo-Tourismus

Hätten die Bewohner des Viertels mit den Wellblechhütten, durch die die Fahrradtour geht, Fotoapparate, wären die weißen Touristen, die sich unsicher auf teils zu kleinen Mountainbikes über die Schlaglocher mühen, ein beliebtes Fotomotiv. Menschenzoo-Tourismus unter umgekehrten Vorzeichen. Doch so wird man gegrüßt und angelächelt und Thsepo Matsile, der die Fahrradtour leitet, versucht, Ratschläge zu geben, in welcher Sprache man antworten kann: "Südafrika hat elf amtliche Landessprachen, aber wir hier haben 13. Die zwölfte Sprache ist eine Mischung aus allen Sprachen, der Slang von Soweto, wie zum Beispiel Tsotsi für Gangster. Und die 13. Sprache ist die Nummernsprache. 69 bedeutet, dass man eine Toilette sucht. Big 5 heißt, dass man hungrig ist und 411, dass man jemandem den letzten Tratsch und Klatsch erzählen möchte." Die erste Sprache, die die Leute in Soweto probieren, um miteinander kommunizieren zu können, ist iziZulu, die von 80 Prozent der Einwohner verstanden wird. Kein Township in Südafrika versammelt diese Vielfalt an Sprachen und Ethnien an einem Ort. Thsepo ist Zutu und sein Name bedeutet Hoffnung. Das betont er sichtlich stolz, genauso wie die Tatsache, dass er in Soweto geboren und aufgewachsen ist. "16 Sekunden entfernt vom Backpackers", im Haus seiner Großmutter.

Ursprünglich war Soweto eine Wohnsiedlung für Goldminenarbeiter, die ihre Familien auf dem Land zurücklassen mussten. 1923 wurde das Gebiet zum schwarzen Ghetto ernannt. Das Gesetz regelte den Zugang der schwarzen Bevölkerung zu städtischen Gebieten. Bald explodierten die Einwohnerzahlen, weitere Townships entstanden, bis sie 1963 unter dem Namen Soweto zusammengefasst wurden. "Ab den 50er Jahren gab es eine strikte Trennung zwischen den Wohnheimen der Frauen und den Wohnheimen der Männer. Damit wollte die Apartheidpolitik die Bevölkerungszahl kontrollieren", erzählt Tshepo, der das dritte Jahr als Guide durch Soweto führt und sich brennend für Geschichte interessiert. Auf jeder Fahrradtour macht er Halt in einem Shebeen, in dem es das lokal gebraute Maisbier gibt. In dem Wellblech-Pub teilt man sich die leicht rosa schimmernde Brühe im Plastikeimer mit den Einheimischen. Der Eimer wird herumgereicht, bis er leer ist. Das spürt man dann beim Weiterfahren. Die für den 22-jährigen Tshepo wichtigste Station ist die Hector Peterson Gedenkstätte.

Mehr Geschäfte im Township

Sie erinnert an den 16. Juni 1976, als Schüler aus Protest gegen die Einführung von Afrikaans als Unterrichtssprache in schwarzen Schulen auf die Straße gingen. Die Polizei reagierte mit Schüssen. Mehr als 200 Kinder wurden verletzt, 23 getötet. "Darunter war Hector Peterson, dessen Foto damals um die Welt ging. Die Polizei war auf der Suche nach den Anführern und hat von Juni bis Dezember 600 Jugendliche umgebracht." Lebo: "Es liegt in der Hand von uns jungen Menschen, über die Entwicklung Sowetos zu entscheiden. Mit unserer Geschichte im Gedächtnis. Zu Apartheidzeiten war es verboten, im Township Handel zu treiben, jetzt eröffnen immer mehr Geschäfte. Die Herausforderung liegt darin, aus der eigenen Kreativität hier etwas zu schaffen."