Piraten wollen im EU-Parlament verschiedene Fraktionen verstärken.
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Brüssel/Berlin. Der Piratenpartei Deutschland ist die EU nicht egal. Man macht sich Gedanken; einen einschlägigen Parteibeschluss gibt es bereits. Der "Piratenappell pro Europa" wurde auf dem Bundesparteitag im vergangenen Jahr beschlossen - "immerhin einmal eine grundsätzliche Stellungnahme zur EU", sagt Thomas Gaul, der bei den deutschen Piraten für die internationale Koordination zuständig ist.
Wobei die jungen Polit-Aktivisten Brüssel gar nicht unkritisch beurteilen. Wie im nationalen Programm geht es den Piraten auch auf EU-Ebene vor allem um Transparenz, hier stößt man aber auf Defizite. Es sei mehr demokratische Kontrolle durch die Bürger nötig, heißt es im "Piratenappell". Denn "immer bedeutendere Teile nationaler Souveränität" würden der EU übertragen, was wiederum bedeute, dass die Demokratie "schleichend abhanden" komme. Daher der Appell an alle Europäer, sich "intensiv mit der institutionellen Zukunft Europas auseinanderzusetzen". Unter "möglichst breiter Beteiligung aller Piratenparteien" sollen gemeinsame politische Positionen erarbeitet werden. In Deutschland wird es in diesem Sommer erneut ein "Außen- und Europapolitisches Barcamp" (eine spontan einberufene Konferenz, Anm.) geben, auf dem über Grundsatzfragen diskutiert werden soll. Im vergangenen Jahr sind dazu immerhin 50 Piraten aus der Bundesrepublik gekommen.
Bei den deutschen Piraten gibt es durchaus Bereitschaft, sich im EU-Parlament anderen Gruppierungen anzuschließen. Fraktionslos sein bedeute, "sehr wenige Möglichkeiten zu haben, überhaupt an EU-Politik teilhaben zu können", so Bundespressesprecher Christopher Lang. Schon deshalb hätten sich beispielsweise die schwedischen Kollegen entschlossen, mit den Grünen zu kooperieren. Teil der Grünen Fraktion zu sein, heißt für Lang allerdings auch, sich nicht immer klar abgrenzen zu können. Im Grunde gehe es aber darum, dass die Piraten-Anliegen umgesetzt würden - wer das mache, sei egal. "Wir sind nicht Politiker geworden, weil wir unbedingt Politiker werden wollten, sondern weil wir uns zur Wehr setzen wollten", sagt Lang. Er sieht die Piraten als "Bürgerrechtsbewegung, die zur Partei geworden ist". Marina Weisband sei ein gutes Beispiel dafür, dass Piraten keine "typischen Politiker" seien: Die 24-Jährige ist seit Mai politische Geschäftsführerin und Mitglied des Bundesverbands der Piratenpartei Deutschland. Obwohl ihre Partei im Herbst 2011 bei der Berlin-Wahl ein sensationelles Ergebnis erreichte, kündigte Weisband Anfang des Jahres ihren Rückzug von der Spitze an - auch, weil sie ihre Diplomarbeit schreiben wolle.
Als Verstärkung geschätzt
Die gleichaltrige Amelia Andersdotter ist mittlerweile auf internationaler Ebene tätig. Sie und Christian Engström repräsentieren die schwedische "Piratpartiet" im EU-Parlament. Nach einigen innenpolitischen Debatten in ihrer Heimat - immerhin werden die Piraten in den einzelnen Ländern auch als Konkurrenz zu den Grünen gesehen - schlossen sie sich der Fraktion der Grünen an. "Und wir haben gute Erfahrungen mit ihnen gemacht", sagt etwa die deutsche grüne EU-Abgeordnete Franziska Keller. In der Fraktion sind auch andere Minderheitenparteien vertreten, und davon können alle Seiten profitieren. "Es ist eine Sache von Nehmen und Geben", stellt die Abgeordnete Keller fest: Kleinere Parteien können sich innerhalb einer Gruppierung leichter in Ausschüssen betätigen, und die Fraktion selbst wird größer.
Dass nach der Europawahl 2014 mehr Piraten-Kollegen im EU-Parlament Platz nehmen werden - davon ist Engström überzeugt. Den bisherigen Erfolgen nach zu schließen, werde Deutschland sicher zumindest einen solchen Mandatar nach Brüssel schicken, glaubt der Schwede.
Genug Verstärkung, um eine eigene Fraktion zu gründen, wird es allerdings kaum geben. Dafür müssten zumindest 25 Piraten in sieben Ländern gewählt werden. Außerdem wäre diese Option laut Engström gar nicht die attraktivste: "Vielleicht wäre es besser, unsere Ideen in verschiedenen Fraktionen zu verbreiten." Dafür kommen jedoch nicht alle Gruppierungen in Frage. Ideologisch sind die Piraten den Grünen nämlich weit näher als beispielsweise den Christdemokraten. Eine weitere theoretische Möglichkeit wäre die Aufnahme in die Fraktion der europäischen Liberalen.